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BB 2017, I
Haase 

Hinzurechnungsbesteuerung – Quo vadis?

Abbildung 1

Dem Vernehmen nach soll die sog. Hinzurechnungsbesteuerung nun endlich reformiert werden – ein (wohlgemerkt bislang nicht öffentlich zugängliches) Eckpunkte-Papier der Außensteuerreferats-Leiter liegt bereits vor, welches dann letztlich “nur noch” in den notwendigen politischen Willen übersetzt werden muss. Verständlich ist das Ansinnen zunächst im Grundsatz. Seit 1972 ist das Außensteuergesetz in seinen wesentlichen Punkten unverändert, und auch aufgrund der jüngsten Vorgaben der gemeinschaftsrechtlichen Anti-Tax-Avoidance-Directive, die in Umsetzung des BEPS-Aktionspunkts 3 nunmehr einen europaweiten Mindeststandard vorgibt, besteht durchaus Änderungsbedarf (dazu nur Linn, IStR 2016, 645 ff.). Weiteres Störfeuer – ausnahmsweise zu Recht aus Sicht der Finanzverwaltung – lieferte zudem einmal mehr der BFH, indem er in einer systematisch verfehlten Entscheidung den Hinzurechnungsbetrag der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG unterwarf (BFH, 11.3.2015 – I R 10/14, IStR 2015 966 ff. mit Anmerkung Haase, BB 2015, 1317 mit BB-Komm. Hielscher).

Abseits dessen ist sachlicher Anlass zur Änderung des AStG und v. a. auch des begleitenden AEAStG allemal gegeben und hätte steuerpolitisch längst adressiert werden müssen. Die Liste der systematischen Ungereimtheiten und praktischen Schwierigkeiten innerhalb der §§ 7 ff. AStG ist zu lang, um sie in diesem Rahmen auch nur ansatzweise zu erörtern. Dennoch in aller Kürze: Die Definition der sog. Inländerbeherrschung muss überarbeitet werden, u. a. weil der Steuerpflichtige bei Unkenntnis über andere Anteilseigner oft im Unklaren über seine Pflichten nach § 18 AStG bleibt. Bei sog. nachgeschalteten Zwischengesellschaften ist zudem die Berechnung der Beherrschungsbeteiligung bzw. die Zurechnung von Zwischeneinkünften zumindest klarstellungsbedürftig – im Wege einer teleologischen Reduktion wird man wohl richtigerweise eine durchgerechnete quotale Beherrschung ausreichen lassen müssen (entgegen Tz. 14.0.1. AEAStG). Der Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG ist ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert und muss ebenfalls dringend und grundlegend reformiert werden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der sog. Mitwirkungstatbestände, die besonders aus der Zeit gefallen sind. Und schließlich ist die Grenze zur Niedrigbesteuerung (derzeit 25 % effektive Steuerbelastung) zu überdenken, weil nach dem gegenwärtigen Maßstab Deutschland selbst als Niedrigsteuerland qualifiziert ist (etwa im Falle einer “loop structure”, bei der ein Inländer über eine Zwischengesellschaft inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt).

Überdies ist zu konstatieren, dass die Vorgaben des EuGH-Urteils in der Rs. Cadbury Schweppes vom 12.9.2006 (C-196/04, BB 2006, 2118 Tenor m. BB-Komm. Sedemund, EWS 2006, 461, RIW 2006, 785) trotz des § 8 Abs. 2 AStG immer noch nicht hinreichend umgesetzt worden sind. Wichtige Fragestellungen harren immer noch einer höchstrichterlichen Klärung: Gibt es Bereichsausnahmen für den Motivtest oder muss die Zwischengesellschaft eine gewisse Größe erreichen, um in den Genuss der Entlastungsmöglichkeit zu gelangen? Begründet die Verwaltung eigener Wirtschaftsgüter (etwa Lizenzverwertung) eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit? Sind outgesourcte Tätigkeiten für Zwecke des § 8 Abs. 2 AStG wie originäre wirtschaftliche Tätigkeiten der Zwischengesellschaft anzusehen? Die letztgenannte Frage wird in dem gegenwärtig beim BFH anhängigen Verfahren in der Rs. I R 94/15 zu beantworten sein (vorgehend FG Münster vom 20.11.2015 – 10 K 1410/12 F, BB 2016, 2208). Und es muss gesehen werden, dass die Steuerpflichtigen mit den Auswirkungen des § 7 S. 7 GewStG in der Fassung des “BEPS Umsetzungsgesetzes I” noch lange zu kämpfen haben werden. Die Vorschrift ist sprachlich und inhaltlich gänzlich verunglückt. Die gesetzgeberische “Korrektur” der fiskalisch unerwünschten BFH-Rechtsprechung gehört systematisch allein in den § 10 AStG, und dass durch die Norm, wie mancherorten schon befürchtet wurde, sogar eine Fiktion einer inländischen Betriebsstätte begründet werden könnte, wo nicht einmal ein inländischer Gewerbebetrieb besteht (etwa bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften), wird gerichtlich kaum gehalten werden. Was schlie_lich mit Drittstaatenf_llen passiert, wird der Ausgang des Verfahrens I R 80/14 zeigen.

In diesem Spannungsfeld befindet sich der Gesetzgeber bei der notwendigen Neuregelung. Es bleibt zu hoffen, dass er “Maß und Mitte” findet und nicht mit noch mehr überschießenden Tendenzen reagiert, die bereits jetzt schon die §§ 7 ff. AStG beherrschen. Dazu gehört insbesondere eine sorgfältige Analyse der o. g. ATAD-Richtlinie. Dividenden werden dort, anders als in § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG, einerseits als passiv definiert, andererseits fehlt eine Regelung über nachgeschaltete Zwischengesellschaften. Das mutet seltsam an und bedarf einer “praktischen Konkordanz”. Der damit schon angesprochene Passivkatalog hingegen ist zu begrüßen. Dem Vernehmen nach soll in der Hinzurechnungsbesteuerung insgesamt “kein Stein auf dem anderen bleiben”. Dies ist für die Kommentatoren des AStG bedauerlich, für die Steuerpflichtigen hingegen hoffentlich von Vorteil. Es kann ohnehin nur besser werden.

Prof. Dr. Florian Haase, RA/FAStR, M.I.Tax, ist Partner und Niederlassungsleiter im Hamburger Büro von Rödl & Partner sowie Inhaber der Professur für Steuerrecht, insbesondere Internationales und Europäisches Steuerrecht, an der HSBA Hamburg School of Business Administration.

 
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