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K&R 2014, 1
Gostomzyk, Tobias 

Crisis? What Crisis?

Zur Ungleichbehandlung von Rundfunk und Presse durch das Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz

Manche Ungerechtigkeiten bleiben lange unentdeckt, beim Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz (PTSG) gleich drei Jahre (Moßbrucker, journalist 4/2014, S. 50 - 53): Das 2011 in Kraft getretene Gesetz bestimmt unter anderem, dass der Rundfunk bei Unglücksfällen störungsfrei Telekommunikationsnetze nutzen können soll. Das ermöglicht nicht nur stabile Telefonie, sondern auch die jederzeitige Nutzung des Internets. Von der Presse ist dagegen keine Rede. Damit werden vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt, ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung.

Bei Störungsfällen ist das Telekommunikationsaufkommen regelmäßig so erhöht, dass die Leistungsfähigkeit von Telekommunikationsnetzen stark beeinträchtigt werden kann. Unter Störungsfällen sind beispielsweise schwere Unglücksfälle, Sabotagehandlungen, terroristische Anschläge sowie Spannungs- und Verteidigungsfälle zu verstehen. Auch in solchen Ausnahmesituationen soll die Bevölkerung aber über Radio und Fernsehen verlässlich informiert werden können. Deswegen wurde der Gesetzgeber aktiv. Bis März 2011 galt die Bundesverordnung zur Sicherstellung von Telekommunikationsdienstleistungen sowie zur Einräumung von Vorrechten bei deren Inanspruchnahme (Telekommunikations-Sicherstellungs-Verordnung - TKSiV). Sie sollte die Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen in Störungsfällen sicherstellen. Bevorrechtigt waren neben Bundeswehr, Katastrophenschutz, Hilfs- und Rettungsdiensten auch "Aufgabenträger in Presse und Rundfunk" (§ 4 Abs. 1 Ziff. 7 TKSiV), soweit sie eine lebens- oder verteidigungswichtige Aufgabe besaßen. Ab April 2011 wurde die Telekommunikations-Sicherstellungs-Verordnung durch das "Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz" (PTSG) abgelöst.

Das Gesetz soll wiederum eine Mindestversorgung mit Postdienstleistungen und Telekommunikationsdiensten in Störungsfällen sicherstellen. Bezweckt ist nach wie vor die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Postdienstleistungen und Telekommunikationsdiensten in Krisenfällen. Zugleich gab es aber folgende Änderung: Zum Kreis der bevorrechtigten Medien sollen jetzt allein Rundfunkveranstalter gehören (§ 6 Abs. 2 Ziff. 8 PTSG), also Radio und Fernsehen. Dagegen wurde die Presse kurzerhand aus dem Kreis der Bevorrechtigten gestrichen.

Selbst eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 Ziff. 8 PTSG auf Presseunternehmen scheidet aus: Zwar mag eine vergleichbare Interessenlage bestehen. Doch hat der Gesetzgeber die früher in den Bevorrechtigtenkreis einbezogene Presse durch Streichung bewusst ausgeschlossen. Deshalb ist bereits zweifelhaft, ob eine Regelungslücke besteht. Zumindest wäre aber ihre Planwidrigkeit nicht gegeben (dazu etwa BVerwG, Urt. v. 12. 9. 2013 - 5 C 35/12, juris-Rn. 27 m. w. N.). Zusätzlich eröffnet zwar § 6 Abs. 2 Ziff. 9 PTSG die Möglichkeit, weitere Teilnehmer zu bevorrechtigen; allerdings nur, wenn durch Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder eines Gemeindeverbands bescheinigt wird, dass diese zur Erfüllung "lebens- oder verteidigungswichtige(r) Aufgaben" auf Telekommunikationsdienste angewiesen sind. Hierunter fallen Presseunternehmen aber regelmäßig nicht bzw. sind auf eine großzügige Bescheinigungspraxis der Bundesnetzagentur angewiesen.

Eine solche Ungleichbehandlung von Rundfunk und Presse lässt sich schwerlich rechtfertigen. Weder bilden Rundfunk und Presse wesentlich unterschiedliche Sachverhalte noch lässt sich ein überzeugender Grund für die Ungleichbehandlung benennen: Im Zeitalter von Medienkonvergenz und damit sich kontinuierlich wandelnder Mediennutzung lässt sich schwerlich zwischen Rundfunk und Presse unterscheiden. Es spricht nicht viel dafür, dass bei Katastrophenfällen etc. die breite Masse der Bevölkerung allein über Radio und Fernsehen wirksam informiert werden kann, wie es noch in der analogen Medienwelt der Fall war. Gerade über das Internet können Presse- und Online-Medien weite Teile der Bevölkerung ebenfalls schnell und effektiv erreichen, zumal Zeitungen und Magazine regelmäßig über Online-Präsenzen verfügen und die erfolgreichsten unter ihnen wie Spiegel Online täglich millionenfach aufgerufen werden. Weiter verbreiten Medien ihre Informationen zunehmend crossmedial. Hinzu kommt, dass die Online-Nutzung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen erheblich angestiegen ist (dazu informativ: ARD/ZDF-Onlinestudie 2013, www.ard-zdf-onlinestudie.de). Online ist teils zum Inbegriff der mobilen Mediennutzung geworden (z. B. durch Smartphones und Tablets), gerade auch bei Teilnehmern von potentiell krisengefährdeten Großveranstaltungen, teils aber auch zum "Nebenbeimedium" wie etwa bei der Internetnutzung am Arbeitsplatz.

Weiter dient das PTSG zwar vorrangig der Aufrechterhaltung der staatlichen Krisenbewältigung und Landesverteidigung. Es geht also wesentlich um das Kommunikationsinteresse des Staates zur Störungsbewältigung sowie - damit verbunden - das Informationsinteresse der Bevölkerung. Doch zumindest mittelbar ist auch das Interesse der Medien an Berichterstattung betroffen. Das gilt auch im Wettbewerb untereinander, weil die am schnellsten verbreitete Information oftmals einen Aufmerksamkeits-Bonus gewinnt.

Kurzum: Crisis? What Crisis? Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Rundfunk und Presse fällt schwer. Auch das crossmedial vermittelte Wort von Presse- und Onlineunternehmen sollte selbst an Unglücksorten nicht verstummen. Es bleibt zu hoffen, dass diese nachdrücklich darauf hinweisen - sei es gegenüber dem Gesetzgeber oder vor Gericht.

Prof. Dr. Tobias Gostomzyk, Dortmund
 
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