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K&R 2017, I
Heinrichshofen 

E-Books – Was lange währt, wird endlich ...?

Abbildung 1

RA Stefan Heinrichshofen, München

Die langgediente Generalanwältin Kokott muss es wissen, wenn sie einen ihrer Schlussanträge mit der Einleitung beginnt, dass die Mehrwertsteuer nicht immer leicht zu verstehen ist. Dies gilt durchaus auch für die umsatzsteuerliche Behandlung von E-Books.

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 laufende Nr. 49 unterliegen Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Büchern, Zeitungen und anderen Erzeugnissen des graphischen Gewerbes nicht dem Regelsteuersatz von 19 %, sondern dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Da es sich bei dem Vertrieb von E-Books umsatzsteuerlich hingegen nicht um Lieferungen, sondern um sonstige Leistungen handelt, unterliegt deren Vertrieb dem Regelsteuersatz von 19 %. Andere europäische Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Frankreich und Luxemburg, hatten ein anderes Verständnis und besteuerten E-Books mit einem ermäßigten Steuersatz. Nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission gegen diese beiden Staaten bestätigte der EuGH die Auffassung der Kommission in zwei Entscheidungen aus März 2015 (EuGH, 5. 3. 2015 – C-479/13, C-502/13), da die Regelungen in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (noch) keine Ermächtigung für eine Steuerbegünstigung für die Erbringung von elektronischen Dienstleistungen auf diesem Gebiet vorsähen.

Staaten, die einen ermäßigten Umsatzsteuersatz für den Vertrieb von E-Books vorsahen, besaßen zumindest bis zum 1. 1. 2015 einen echten Preisvorteil, da die Umsatzbesteuerung für deren Vertrieb an Privatpersonen, d. h. an Nichtunternehmer, bis zu diesem Zeitpunkt im (ermäßigt besteuernden) Ursprungsland und nicht im mit dem Regelsteuersatz besteuernden Bestimmungsland, z. B. Deutschland, vorzunehmen war. Aufgrund der Änderung der Bestimmungen zum Ort sonstiger Leistungen unterliegt der Vertrieb von E-Books ab dem 1. 1. 2015 der Umsatzbesteuerung im Bestimmungsland, sodass insoweit ein Wettbewerbsvorteil entfallen ist. Aber auch nach Änderung der Ortsbestimmungen verbleiben in der Praxis andere Beurteilungsschwierigkeiten, so z. B., wenn mit der Abgabe einer gedruckten Zeitung bzw. eines gedruckten Buches auch gleichzeitig der elektronische Zugang zum E-Paper bzw. zum E-Book eingeräumt wurde. Das BMF beanstandete es allerdings nicht, wenn bis zum 31. 12. 2015 die Abgabe eines gedruckten Buches und eines E-Books zu einem Gesamtverkaufspreis als einheitliche Leistung angesehen wurde, die insgesamt dem ermäßigten Steuersatz unterworfen wurde (OFD Frankfurt a. M., 19. 5. 2015, S 7200 A – 267 – St 111 – UR 2015, 887). Seit dem 1. 1. 2016 ist ein Gesamtkaufpreis hingegen grundsätzlich im Verhältnis der Einzelverkaufspreise aufzuteilen.

Die Europäische Kommission hat nunmehr am 1. 12. 2016 einen Gesetzesvorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgelegt (COM(2016) 758), wonach zukünftig auch der Vertrieb von E-Books dem ermäßigtem Steuersatz unterworfen werden kann. Dieses Vorhaben wurde augenscheinlich nicht nur von der deutschen Bundesregierung, sondern auch ganz überwiegend von der Branche unterstützt, wenn man der Mitteilung des Börsenvereins des Buchhandels vom 1. 12. 2016 Glauben schenkt. Sollte es auf europäischer Ebene zu einer Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und im Nachgang zu einer Umsetzung in den Mitgliedstaaten kommen, wird dies bei Letzteren zu Mindereinnahmen führen. Abzuwarten bleibt, ob dieser Vorteil an die Kunden weitergegeben wird. Die Änderungen führen zu einer Steuervereinfachung, da dann obig aufgezeigte Abgrenzungsfragen entfallen. Für die Rechtspraxis bleibt zu hoffen, dass durch die geplante gesetzliche Änderung der Vertrieb von gedruckten Büchern nicht verdrängt bzw. verschlechtert wird, da hierunter die Qualität einer umfassenden rechtlichen Recherche auf alleiniger Grundlage von E-Books oder anderen elektronischen Hilfsmitteln nach Auffassung des Verfassers deutlich leiden würde.

RA Stefan Heinrichshofen, München

 
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