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ZHR 182 (2018), 1-7
Mayen 

Über die mittelbare Grundrechtsbindung Privater in Zeiten des Einflusses sozialer Netzwerke auf die öffentliche Kommunikation

Mit dem Beginn des neuen Jahres ist das bereits am 1. 10. 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz; NetzDG) vom 1. 9. 2017 (BGBl. I, S. 3352) scharf geschaltet worden. Am 1. 1. 2018 endete die Übergangsfrist des § 6 Abs. 2 S. 1 NetzDG, bis zu deren Ablauf die verpflichteten Anbieter von sozialen Netzwerken die in § 3 NetzDG vorgeschriebenen Verfahren über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte eingeführt haben müssen. Gemäß § 3 Abs. 2 NetzDG müssen diese Verfahren gewährleisten, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks

  1. unverzüglich von der Beschwerde Kenntnis nimmt und prüft, ob der in der Beschwerde gemeldete Inhalt rechtswidrig und zu entfernen oder der Zugang zu ihm zu sperren ist,

  2. einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt;1

  3. jeden rechtswidrigen Inhalt unverzüglich, in der Regel innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt,2

  4. im Falle der Entfernung den Inhalt zu Beweiszwecken sichert und zu diesem Zweck für die Dauer von zehn Wochen innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und 2010/13/EU speichert,

  5. den Beschwerdeführer und den Nutzer über jede Entscheidung unverzüglich informiert und seine Entscheidung ihnen gegenüber begründet.

ZHR 182 (2018) S. 1 (2)

Angesichts der schon im Gesetzgebungsverfahren geäußerten massiven Kritik an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes3 sind gerichtliche Auseinandersetzungen abzusehen. Im Fokus der Kritik steht hierbei nicht nur die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, sondern auch die Vereinbarkeit der durch das Gesetz vorgeschriebenen Verfahren mit den materiellen Grundrechten der Nutzer ebenso wie der Anbieter des sozialen Netzwerkes, die sich neben der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) auch auf die Meinungs- und Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen können sollen.4

Wie so oft gilt allerdings auch im Falle des NetzDG: Nach der Aufgeregtheit der politischen Debatte im und um das Gesetzgebungsverfahren ist nunmehr – nach Inkrafttreten des Gesetzes – nüchterne Differenzierung angezeigt.

I. So ist in Bezug auf die Meinungsfreiheit der Nutzer zunächst festzuhalten, dass jedenfalls gezielte Desinformationen durch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen gar nicht erst dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG unterliegen;5 Fake News verdienen keinen Schutz der Rechtsordnung, gegen eine Pflicht zur Löschung solcher Inhalte ist – auch verfassungsrechtlich – nichts zu erinnern.

Jenseits des Bereichs gezielter Desinformation greift zwar der Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Die Gefahren des sog. Overblocking, also der überzogenen unzulässigen Sperrung von Inhalten, infolge der Kombination aus verkürzter Prüfpflicht von nur sieben Tagen und Strafbewehrung werden aber dadurch abgemildert, dass sich das soziale Netzwerk der Entscheidung einer anerkannten Einrichtung der regulierten Selbstregulierung unterwerfen kann: § 3 Abs. 2 Nr. 3 HS. 2 NetzDG. Verbleibende Defizite, die etwa aus der nur optionalen Ausgestaltung der freiwilligen Selbstregulierung folgen, sollten im Wege verfassungskonformer Auslegung behoben werden können.

II. Im Rahmen dieses Editorials soll die Rolle der Grundrechte der Anbieter sozialer Netzwerke näherer Betrachtung unterzogen werden. In der bisherigen Diskussion wird insoweit die Bedeutung der mittelbaren Grundrechtsbindung vernachlässigt, die sich nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG auch für Private ergibt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden private Grundrechtsträger durch die Grundrechte berechtigt, aber nicht unmittelbar verpflichtet. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Horizontalverhältnis zwischen zwei Privaten wird deshalb abgelehnt. Denn Grundrechte sind in ihrer klassischen Funktion subjektive Abwehrrechte ge¬ZHR 182 (2018) S. 1 (3)gen den Staat, nicht gegen den Bürger. Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte dementsprechend (nur) den Staat in Gestalt von Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung.

Dem liegt – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts – eine „elementare Unterscheidung“ zugrunde: Während der Bürger durch die Grundrechte „prinzipiell frei“ ist, ist der Staat durch die Grundrechte „prinzipiell gebunden. Der Bürger findet durch die Grundrechte Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbstverantwortlich ist. Er und die von ihm gegründeten Vereinigungen und Einrichtungen können ihr Handeln nach subjektiven Präferenzen in privater Freiheit gestalten, ohne hierfür grundsätzlich rechenschaftspflichtig zu sein. Ihre Inpflichtnahme durch die Rechtsordnung ist von vornherein relativ und – insbesondere nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit – prinzipiell begrenzt. Demgegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig. Seine Aktivitäten verstehen sich nicht als Ausdruck freier subjektiver Überzeugungen in Verwirklichung persönlicher Individualität, sondern bleiben in distanziertem Respekt vor den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger und werden dementsprechend von der Verfassung umfassend an die Grundrechte gebunden“.6

Dies schließt zwar nicht aus, dass Private (Grundrechtsberechtigte) im Wege der mittelbaren Drittwirkung „durch die Grundrechte in Pflicht genommen werden“. Die unmittelbare Grundrechtsbindung des Staates unterscheidet sich aber grundsätzlich von der in der Regel nur mittelbaren Grundrechtsbindung der Privaten und Privatunternehmen: Während die unmittelbare Grundrechtsbindung des Staates „auf einer prinzipiellen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bürger beruht“, dient die nur mittelbare Grundrechtsbindung der Privaten „dem Ausgleich bürgerlicher Freiheitssphären untereinander und ist damit von vornherein relativ“.7

2. Die somit grundsätzlich nur mittelbare Grundrechtsbindung Privater darf allerdings in ihrer Intensität gerade für den Bereich des Schutzes der Kommunikation nicht unterschätzt werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Fraport-Entscheidung vom 22. 2. 2011 deutlich herausgestellt. Wörtlich heißt es dort wie folgt:

„Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirkung der Grundrechte und damit die – sei es mittelbare, sei es unmittelbare – Inpflichtnahme Privater in jedem Fall weniger weit reicht. Je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung kann die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates vielmehr nahe oder auch gleich kommen. Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die – wie ZHR 182 (2018) S. 1 (4)die Sicherstellung der Post- und Telekommunikationsdienstleistungen – früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren. Wieweit dieses heute in Bezug auf die Versammlungsfreiheit oder die Freiheit der Meinungsäußerung auch für materiell private Unternehmen gilt, die einen öffentlichen Verkehr eröffnen und damit Orte der allgemeinen Kommunikation schaffen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.“8

Auch wenn es sich hierbei ausweislich des zuletzt zitierten Satzes um obiter dicta handelt, darf die Bedeutung dieser Aussagen gerade deshalb nicht unterschätzt werden, weil sie durch die dortige Entscheidung nicht ansatzweise veranlasst waren. Denn im Falle der Fraport AG hatte das Bundesverfassungsgericht bereits eine unmittelbare Grundrechtsbindung angenommen, weil die Anteile dieses gemischtwirtschaftliche Unternehmen zu mehr als 50% von öffentlichen Anteilseignern gehalten werden.9 Umso mehr muss es aufhorchen lassen, wenn das Bundesverfassungsgericht die Intensität der – im dortigen Fall gar nicht in Rede stehenden – mittelbaren Grundrechtsbindung Privater in diesem Zusammenhang herausstellt.

3. Die Relevanz dieser Aussagen für Google, Facebook und Co liegt auf der Hand. Die Betreiber sozialer Netzwerke sind ohne Zweifel „private Unternehmen, welche die Bereitstellung der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen“. Mit diesen Formulierungen wird der tatsächliche Einfluss, den das Internet auf die Bedingungen heutiger öffentlicher und privater Kommunikation haben, sogar noch sehr zurückhaltend umschrieben. Das belegen nicht nur Beispiele wie der Einsatz sog. Bots im Umfeld politischer Wahlen und Abstimmungen,10 die sich als Meinungsäußerungen menschlicher Nutzer gerieren oder getarnt als „seriöse“ Nachrichten sog. Fake News verbreiten und jeweils durch die gezielte massenweise Verbreitung in Echtzeit zu volatilen Ausschlägen in der öffentlichen Meinungsbildung führen können. Erinnert sei ferner an das sog. micro targeting,11 das die im Internet gezeigten Inhalte gezielt an die – vermuteten oder algorithmisch errechneten – Bedürfnisse der Nutzer anpasst und bis hin zum sog. Politmarketing reicht, das auch vor der Beeinflussung nationaler Parlamentswahlen nicht Halt macht.

Gegen eine Übertragung des Gedankens einer gesteigerten mittelbaren Grundrechtsbindung ließe sich hier allenfalls noch einwenden, dass die beschriebenen Funktionen der Betreiber sozialer Netzwerke neu sind und schon deshalb nicht bisher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren. Indessen würde eine solche statische Betrachtung der Effektivität des Grundrechtsschutzes und der daraus abzuleitenden Entwicklungsoffenheit ZHR 182 (2018) S. 1 (5)des Grundgesetzes zuwiderlaufen. Vieles spricht deshalb dafür, dass alle solchen Unternehmen erfasst sind, die – um eine weitere Umschreibung im Fraport-Urteil aufzugreifen – „einen öffentlichen Verkehr eröffnen und damit Orte der allgemeinen Kommunikation schaffen“.12 Dies ist auch bei Internet-Providern der Fall, sofern sie ihre Leistungen nicht allein auf das Angebot von Inhalten beschränken, sondern zugleich auch fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermitteln;13 nur reine Host Provider, die ausschließlich Inhalte anbieten, unterliegen demnach nicht mehr der gesteigerten Grundrechtsbindung.

4. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher noch nicht aufgezeigt, welche inhaltliche Tragweite eine mittelbare Grundrechtsbindung haben kann, die einer unmittelbaren Grundrechtsbindung gleichkommt.

Klar ist, dass die bisherige Trennung von unmittelbarer und mittelbarer Grundrechtsbindung ihre Bedeutung verliert. Wenn die mittelbare der unmittelbaren Grundrechtsbindung gleichkommt, ist sie nicht mehr von vornherein relativ, d. h. gleichrangiger Abwägungsgesichtspunkt im Rahmen des Ausgleichs bürgerlicher Freiheitssphären untereinander. Vielmehr ist die Grundrechtsbindung des Privaten nur überwindbar, wenn dies durch besondere verfassungsrechtliche Gesichtspunkte gerechtfertigt erscheint.

Damit wird die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung von Internetprovidern für Persönlichkeitsrechtsverletzungen infrage gestellt. Der BGH leitet insoweit bisher aus der Geltung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 GG auch für die Anbieter sozialer Netzwerke u. a. die Notwendigkeit ab, eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit vorzunehmen. Hieraus soll folgen, dass ein Tätigwerden des Hostproviders nur veranlasst sei, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann; hierbei hänge das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite.14 Dieser Ansatz entspricht der nur mittelbaren Grundrechtsbindung, die nur relativ ist und im Rahmen des Ausgleichs bürgerlicher Freiheitssphären überwunden ZHR 182 (2018) S. 1 (6)werden kann. Je stärker sich nun aber die mittelbare der unmittelbaren Grundrechtsbindung annähert, desto deutlicher tritt die Grundrechtsbindung des Internetproviders in den Vordergrund – konkret seine Verpflichtung zur Achtung der Persönlichkeitsrechte der Nutzer seiner Plattform.

Schließlich vergrößert die Annäherung von mittelbarer und unmittelbarer Grundrechtsbindung auch die Spielräume des Gesetzgebers, wenn er – wie etwa im NetzDG – die Internetprovider in die Pflicht nimmt, für eine Sperrung rechtswidriger Inhalte auf den jeweiligen Internetseiten zu sorgen. Wenn solche Regelungen lediglich die gesteigerte Grundrechtsbindung konkretisieren, weil die Internetprovider die Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation bereitstellen, rechtfertigt dies zugleich den Eingriff in die Grundrechte der Internetprovider. Insofern gilt die Wertung der unmittelbaren, nicht der mittelbaren Grundrechtsbindung: Auch als materiell privates Unternehmen ist der Internetbetreiber prinzipiell gebunden, nicht prinzipiell frei.

5. Nach den bisherigen Andeutungen des Bundesverfassungsgerichts zeichnet sich ab, dass nicht alle Grundrechte eine solche gesteigerte mittelbare Grundrechtsbindung erzeugen können. Ausdrücklich erwähnt wird der „Schutz der Kommunikation“,15 so dass jedenfalls diejenigen Grundrechte besonders in Betracht kommen, die dem Schutz der Kommunikation dienen.

Dazu zählt das vom Gericht erwähnte Grundrecht der freien Meinungsäußerung,16 aber auch die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Auch das Fernmeldegeheimnis wird man hierzu rechnen müssen. Denn die spezifische Gefährdungslage, der der Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG Rechnung trägt, besteht unabhängig davon, ob die technische Kommunikationseinrichtung – wie in der Vergangenheit – durch den Staat oder – wie seit der Einfügung von Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG in das Grundgesetz – durch private Anbieter erbracht wird. In beiden Fällen sind die Kommunikationspartner für den Schutz und die Freiheit ihrer Kommunikation auf einen technischen Übermittlungsvorgang angewiesen. Die Annahme einer gesteigerten mittelbaren Drittwirkung des Fernmeldegeheimnisses für private Anbieter, die in ihrer Reichweite und Intensität der unmittelbaren Grundrechtsbindung des Staates gleichkommt, trägt damit der besonderen Abhängigkeit der Bürger von den Leistungen der Daseinsvorsorge Rechnung, die unabhängig von der Erbringung durch den Staat oder durch Private besteht. Die Aussage, private Anbieter seien durch Art. 10 Abs. 1 GG nicht verpflichtet,17 ist deshalb zumindest in dem Sinne irreführend, weil sie eine von vornherein relative und damit inhaltlich weniger intensive Inpflichtnahme durch die Grundrechte impliziert, als sie dem Art. 10 Abs. 1 GG als dem zentralen Grundrecht für den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation tatsächlich zukommt. Vor diesem Hintergrund ist § 88 TKG mehr als nur „ein¬ZHR 182 (2018) S. 1 (7)fachgesetzliche Ausprägung des Fernmeldegeheimnisses“18 für private Diensteanbieter in dem Sinne, dass sie auf einer verfassungsrechtlich zwar zulässigen, aber nicht geschuldeten Entscheidung des einfachen Gesetzgebers beruht.19 Dies schließt u. a. ein, dass der Schutzbereich des § 88 TKG nicht allein dem technischen Telekommunikationsbegriff des § 3 Nr. 22 TKG folgt, sondern in Anknüpfung an die Schutzbedürftigkeit des durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützten Grundrechtsträgers auszulegen ist.20 Praktische Konsequenzen hat dies etwa dort, wo es um die Bindung von Internetprovidern an das Fernmeldegeheimnis im Zusammenhang mit dem sog. digitalen Nachlass geht, also den auf den Servern des Providers gespeicherten E-Mails, Fotos pp. von Verstorbenen.21

Thomas Mayen

1

Dies gilt nicht, wenn das soziale Netzwerk mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde einen längeren Zeitraum für die Löschung oder Sperrung des offensichtlich rechtswidrigen Inhalts vereinbart hat: § 3 Abs. 2 Nr. 2, HS. 2 NetzDG.

2

Die Sieben-Tages-Frist kann nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 HS. 2 NetzDG überschritten werden, wenn die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder erkennbar von anderen tatsächlichen Umständen abhängt oder wenn das soziale Netzwerk die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde einer nach den Absätzen 6 bis 8 anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung überträgt und sich deren Entscheidung unterwirft.

3

Die Stellungnahmen zum Gesetzgebungsverfahren sind u. a. abrufbar auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/NetzDG.html).

4

Vgl. etwa Gersdorf, Stellungnahme zum NetzDG vom 28. 3. 2017, S. 11 (unter Bezugnahme auf BGHZ 209, 139, Rdn. 24; BGH, BayVBl. 2015, 625, 629; Ladeur/Gostomzyk, K&R 2017, 390, 393 f.

5

BVerfGE 99, 185, 197.

6

BVerfGE 128, 226, 244 f.

7

BVerfGE 128, 226, 249.

8

BVerfGE 128, 226, 249 f. – Hervorhebungen nicht im Original.

9

BVerfGE 128, 226, 250.

10

Dazu etwa Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017) 1, 14 f.

11

Eindrucksvoll dazu etwa Carole Cadwalladr, „Follow the data: does a legal document link Brexit campaigns to US billionaire?“, The Guardian vom 14. 5. 2017.

12

BVerfGE 128, 226, 250 (sub. Ziff. I. 2).

13

Zur Abgrenzungsproblematik bei § 88 TKG vgl. nur Mayen in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, 3. Aufl. 2018, § 88 Rdn. 60; Scherer, AfP 1996, 213; Gercke, CR 2005, 599 ff. Für den Begriff „Telekommunikation“ i.S.v. Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG vgl. Friauf/Höfling/Mayen, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87f GG Rdn. 94 m.w.N.

14

Vgl. dazu BGHZ 191, 219, Rdn. 25 f.; BGHZ 209, 139, Rdn. 24.

15

BVerfGE 128, 226, 249.

16

BVerfGE 126, 226, 250.

17

So etwa Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 10 GG Rdn. 1a.

18

So die Gesetzesbegründung zu § 85 TKG 1996: BR-Drs. 80/96, S. 55.

19

Zum Ganzen näher Scheurle/Mayen/ders. (Fn. 13), § 88 Rdn. 2 f. (erscheint in Kürze).

20

BVerfGE 124, 43, 55 f.; BVerfG K&R 2011, 320, 321.

21

Dazu jüngst KG Berlin CR 2017, 454, Rdn. 92 ff.; in diesem Sinne bereits Mayen, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, in: Stellungnahme Nr. 34/2013 des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Erbrecht, Informationsrecht und Verfassungsrecht zum Digitalen Nachlass, 2013, S. 66, 81; ebenso wohl auch Staudinger/Kunz, BGB, 16. Aufl. 2017, § 1922 Rdn. 629.

 
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