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CB 2018, I
von Orelli/Eckhardt 

Compliance mit Augenmaß ist für den Schweizer Stiftungssektor überlebenswichtig

Wenn regulatorische Eingriffe Menschen davon abhalten, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren, verlieren wir am Ende alle.

Abbildung 1

Abbildung 2

Privates philanthropisches Engagement ist ein Erfolgsfaktor der Schweiz. Eine aktive Zivilgesellschaft, ein reichhaltiges Vereinsleben und eine große Anzahl Stiftungen tragen zu einem lebendigen Gemeinwohl bei. Entsprechend ausgeprägt und dynamisch zeigt sich das Schweizer Stiftungswesen. Mit über 13.000 gemeinnützigen Stiftungen, einem Gesamtvermögen von knapp 100 Milliarden Schweizer Franken und jährlichen Ausschüttungen von mehr als zwei Milliarden gehört die Schweiz zu den weltweit führenden Stiftungsplätzen. Jeden Tag wird eine neue Stiftung gegründet. Jeden Tag investieren Stifterinnen und Stifter privates Vermögen zum Wohl der Gesellschaft. Die Stiftungsorgane haben danach eine treuhänderische Pflicht gegenüber dem Stifterwillen, aber auch gegenüber dem gemeinwohlorientierten Zweck. Dies bedeutet nicht nur eine konsequente Umsetzung des Stiftungszwecks in der Förderarbeit. Es bedeutet auch, dass die Stiftung so geführt werden muss, dass sie die Regeln, die Statuten und Rechtsordnung setzen, einhalten.

In den letzten zehn Jahren hat deren Umfang jedoch deutlich zugenommen. Seit Inkrafttreten des neuen Revisionsrechts 2008 gelten für die Revision von gemeinnützigen Stiftungen die Vorschriften des Aktienrechts. Gemeinnützige Stiftungen sind, bis auf wenige Ausnahmen, verpflichtet, jährlich eine ordentliche oder eingeschränkte Revision durchzuführen und die Revisionsstelle im Handelsregister einzutragen. Rechnungslegung und Mittelverwendung werden jährlich von der Stiftungsaufsicht sowie fallweise von den Steuerbehörden geprüft. Immer mehr Aufsichten fordern von Stiftungen die Durchführung einer Risikoanalyse bis hin zur Erarbeitung eines internen Kontrollsystems. Die immer strikter werdenden rechtlichen Auflagen an Schweizer Banken treffen auch Stiftungen. Auffallend ist zudem, dass viele neue gesetzliche Bestimmungen nicht mehr zwischen verschiedenen Rechtsformen unterscheiden, sondern auf wirtschaftlichen Kriterien wie Finanzvolumen oder Anzahl Mitarbeitende basieren. Damit sind gemeinnützige Stiftungen, insbesondere Förderstiftungen, die mit eigenem Kapital und Erträgen ausgestattet sind, ins Blick- und Schussfeld regulatorischer Bestimmungen geraten. Dies obwohl die Empfehlungen der Financial Action Task Force, einer von der OECD gegründeten Organisation, um Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen, aber auch das neue Finanzinfrastrukturgesetz oder die Datenschutz-Grundverordnung der EU in ihrer Schutzwirkung auf ganz andere Player als die 13.000 gemeinnützigen Schweizer Stiftungen zielen. Eine nicht geringe Anzahl tut sich denn auch schwer damit, die zunehmenden Anforderungen zu erfüllen. Die hohen Beträge für Beratungshonorare und steigende Gebühren der zunehmend ressourcenintensiven Revisions- und Aufsichtstätigkeit belasten die Förderbudgets.

Dabei darf nicht vergessen gehen: Mit der heute gegebenen Überprüfung durch Aufsicht, Finanzintermediäre und Revisionsstelle ist nur eine verschwindend kleine Minderheit von Stiftungen gefährdet, aktiv oder passiv mit Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung in Verbindung zu stehen, die Daten seiner Förderpartner zu missbrauchen oder gar dem Finanzmarkt zu schaden. Compliance mit Augenmaß ist für den Schweizer Stiftungssektor überlebenswichtig. Im Gegenzug müssen Stiftungen Verantwortung übernehmen und ein Bewusstsein dafür entwickeln, wo die Risiken liegen, und wie sie mit diesen umzugehen haben. Die großen Organisationen und Verbände spielen dabei eine bedeutende Rolle. Durch Foundation Governance Codes, Weiterbildungen und Sensibilisierungskampagnen tragen sie zu einem sorgfältigen Umgang mit Fragestellungen der Good Governance bei. Die neu in den Sektor drängende Compliance-Diskussion sollte diese Entwicklungen im besten Fall unterstützen. Das Augenmaß darf dabei nicht verloren gehen und der ganze Sektor schon gar nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Wenn regulatorische Eingriffe Menschen davon abhalten, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren, verlieren wir am Ende alle.

Lukas von Orelli ist Geschäftsführer der international tätigen VELUX STIFTUNG und Präsident von SwissFoundations.

Beate Eckhardt ist Geschäftsführerin von SwissFoundations.

 
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