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INTER 2016, 17
Rempe 

RA Dr. Christoph Rempe *

Smart Products in Haftung und Regress

In den vernetzten Systemen des Internets der Dinge werden in Zukunft immer mehr Smart Products auf den Markt kommen. Schon heute sind selbstfahrende Autos keine Zukunftsvision mehr, sondern werden bereits umfangreich von Automobilherstellern entwickelt und getestet. Es stellt sich daher die Frage, wer wie für schadensverursachende Fehlfunktionen und Fehlverhalten dieser Smart Products haftet, weil ein zivilrechtliches Verschulden der Roboter selbst mangels Rechtspersönlichkeit undenkbar ist.

Es soll mit diesem Beitrag untersucht werden, inwiefern zivilrechtliche Haftungsregelungen auf Smart Products übertragen werden können. Dabei steht insbesondere auch die Frage der kausalen Zurechnung von Fehlfunktionen im Vordergrund.

I. Zivilrechtliche Haftung für Smart Products

Smart Products sind Roboter mit künstlicher Intelligenz. Der Begriff des Smart Products ist dabei weit auszulegen. Umfasst sind alle autonom aufgrund einer Programmierung selbstständig ohne menschliche Steuerung handelnden Sachen. Das kann das selbstfahrende Auto genauso sein wie der Rasenmähroboter und der eigenständig Essen bestellende Kühlschrank. Es sind im weitesten Sinne Roboter. Aufgrund ihrer Programmierungen kommunizieren und interagieren die Smart Products mit ihrer Umwelt. Dabei können jedoch Störungen auftreten, die letztlich zu Schäden an Rechtsgütern Dritter führen können. Roboter, also letztlich Maschinen haben jedoch keine eigene Rechtspersönlichkeit. Hat das Smart Product eine Fehlfunktion, können dadurch Rechtsgüter Dritter und auch des Eigentümers selbst zu Schaden kommen. Der Rasenmähroboter zum Beispiel kann einerseits die eigenen Rosen abmähen, andererseits auch die Rosen im Nachbarsgarten. Es ist also zwischen den sich gegenüberstehenden Parteien in diesem Fall zu unterscheiden: Dort ist der Eigentümer, der den Schaden beim Verkäufer und/oder Hersteller des Smart Products ersetzt verlangen möchte. Auf der anderen Seite ist der durch das Produkt geschädigte Dritte, der in der Praxis zuerst den Eigentümer des Produktes in Anspruch nehmen wird, der dann wiederum beim Hersteller des Produktes Regress nehmen möchte. Diese Verhältnisse gilt es im Rahmen der Haftung und auf zweiter Stufe des Regresses zu unterscheiden.

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1. Vertragliche Haftung

Wenn der Eigentümer des Smart Products selbst derjenige ist, bei dem dieses Produkt einen Schaden an einem seiner Rechtsgüter verursacht, wird der Geschädigte in erster Linie versuchen, im Rahmen der Mängelgewährleistung bei dem Verkäufer als seinem Vertragspartner seinen Schaden ersetzt zu verlangen. Bei Schäden an anderen Rechtsgütern als dem Produkt selbst besteht ein Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB. Das Produkt hat jedenfalls gem. § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB einen Mangel, da es sich aufgrund der technischen Fehlfunktion, die zum Schaden geführt hat, nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei vergleichbaren Sachen üblich ist. Selbst wenn der technische Defekt durch eine Nacherfüllung des Verkäufers behoben werden könnte, lässt sich der bereits eingetretene Schaden nicht wieder gut machen, sodass es sich bei durch das Smart Product an anderen Rechtsgütern verursachten Schäden um Mangelfolgeschäden handelt. Dieser sind – neben einer möglichen Nacherfüllung – über § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen.1 Das Verschulden des Verkäufers wird vermutet; er kann allerdings gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB den Entlastungsbeweis führen, indem er darlegt und beweist, die Pflichtverletzung nicht vertreten zu müssen. Insoweit muss der Verkäufer die Ursache des Schadens beweisen und darlegen, dass er diese Ursache nicht zu vertreten hat.2 Er muss also beweisen, dass der Schaden nicht aufgrund des Mangels eingetreten ist, was ihm zumeist nicht gelingen wird. Dieser Schadensersatzanspruch unterliegt der üblichen kaufrechtlichen Verjährung von zwei Jahren ab Übergabe der Sache gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB.3 Daher kann der Geschädigte nach Ablauf dieser Frist keine vertraglichen Schadensersatzansprüche mehr geltend machen, sondern muss auf deliktsrechtliche oder Gefährdungstatbestände gehen.

2. Deliktsrechtliche Haftung

Es versteht sich von selbst, dass der Geschädigte mangels Rechtspersönlichkeit nicht das Smart-Product selbst auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Er muss daher versuchen, beim Eigentümer gem. § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz zu verlangen. Dies setzt neben der Rechtsgutverletzung vor allem voraus, dass diese im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität dem Eigentümer des Smart Products zuzurechnen ist und diesen Verschulden trifft. Sowohl Kausalität als auch Verschulden sind jedoch bei Smart Products problematisch.4

a) Kausalität der Schadensherbeiführung

Die Haftung einer Person für Schäden setzt zunächst die Zurechnung des Schadens im Rahmen der Kausalität zu einer Handlung einer Person voraus, sodass die Rechtsgutverletzung der in Anspruch genommenen Person objektiv zurechenbar ist.5

Diese objektive Zurechenbarkeit zum Eigentümer ist bei einem durch ein Smart Product verursachten Schaden nicht unmittelbar möglich. Denn die Rechtsgutverletzung wird nicht direkt durch eine Handlung des Eigentümers des Smart Products herbeigeführt, sondern durch dieses Smart Product allein, möglicherweise ganz ohne Zutun des Eigentümers oder – wie beim Beispiel des Rasenmähroboters – sogar in seiner Abwesenheit. Denn das Smart Product handelt autonom, ohne dass zunächst eine menschliche Handlung erkennbar ist.6

Letztlich handelt es sich aus Sicht des Eigentümers des Smart Products um eine mittelbare Schädigung des betroffenen Dritten, da die Rechtsgutverletzung nicht direkt durch seine Handlung, sondern erst durch Hinzutreten der autonomen Handlung des Smart Product entstanden ist.7 Der Eigentümer selbst hat das Rechtsgut nicht durch eigenes Handeln verletzt. Eine solche mittelbare Schadensverursachung kann dem Eigentümer nur über die Außerachtlassung einer Verkehrssicherungspflicht zugerechnet werden.8 Nach der Rechtsprechung muss derjenige, der eine Gefahrenlage gleich welcher Art schafft, die notwendigen Vorkehrungen treffen, damit andere möglichst nicht geschädigt werden.9 Danach umfasst die Verkehrssicherungspflicht “diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren”.10 Das wiederum setzt voraus, dass sich vorausschauend objektiv die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können.11 Allerdings stellt der BGH fest, dass eine Verkehrssicherungspflicht, die alle möglichen Schäden im täglichen Leben ausschließt, unrealistisch sei und nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden könne.12 Ansonsten fällt die dennoch eingetretene Rechtsgutverletzung als “Unglück” in die Sphäre des Verletzten.13 Die Vorgaben der Rechtsprechung sind letztlich in jedem Einzelfall der Rechtsgutverletzung durch ein Smart Product zu prüfen, ohne dies verallgemeinern zu können. Es ist nämlich entscheidend, was nach den konkreten Umständen zur Gefahrenbeseitigung erforderlich und zumutbar ist.14 So ist bei dem Rasenmähroboter-Fall für den Eigentümer klar, dass er eine “Gefahr” auch für die Rosen des Nachbarn eröffnet hat. Insoweit muss der Eigentümer alle Vorkehrungen treffen, dass sein Rasenmähroboter nicht das Blumenbeet des Nachbarn erreichen kann, da dies eine naheliegende Gefahr ist, die vorausschauend erkannt werden kann. Andererseits lassen sich fernliegende, außerhalb jeder Vorhersehbarkeit liegende Ereignisse von der Zurechnung ausschließen. Wenn der Rasenmähroboter zum Beispiel die Nachbarskatze erschreckt, die daraufhin auf das Auto des Nachbarn springt und den Lack zerkratzt, wird im Regelfall keine zurechenbare, naheliegende Gefahr mehr vorliegen. Durch die Einzelfallabwägung lassen sich somit interessengerechte Lösungen der objektiven Zurechnung über die Verkehrssicherungspflicht finden und letztlich eine sachgerechte Risikoverteilung zwischen der gefährdeten Person und dem Eigentümer des Produktes erreicht werden.15

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b) Verschulden

Die Haftung auf Schadensersatz setzt Verschulden des Schädigers voraus. Anders als bei der vertraglichen Haftung gem. § 280 Abs. 1 BGB ist das Verschulden bei der deliktischen Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Zu vertreten hat der Schädiger stets Vorsatz und Fahrlässigkeit.16 Auch das Verschulden des Schädigers ist bei einer durch das autonom handelnde Smart Product herbeigeführten Rechtsgutverletzung nicht ohne weiteres leicht festzustellen.17 Bei der Prüfung, ob dem Schädiger fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann, ist entscheidend wiederum auf den Sorgfaltsmaßstab der Verkehrssicherungspflicht abzustellen, da diese sowohl für die objektive als auch die subjektive Zurechnung (also dem Verschulden) heranzuziehen ist.18 Allerdings ist weiter entscheidend, ob dem Schädiger die Verletzung des Sorgfaltsmaßstabs auch subjektiv vorgeworfen werden kann, wobei aus einer ex-ante Betrachtung heraus festzustellen ist, ob die Rechtsgutverletzung subjektiv vorhersehbar war.19 Genau diese subjektive Vorhersehbarkeit sehen viele Stimmen in der Literatur als problematisch an, da für den Schädiger das Verhalten des Smart Products möglicherweise nicht vorhersehbar war.20 Generell wird in der Praxis jedoch bei der Bejahung des objektiven Verstoßes gegen eine Verkehrssicherungspflicht auch die subjektive Zurechenbarkeit gegeben sein. Nur wenn der Schädiger tatsächlich aufgrund individueller Gründe nicht in der Lage ist die Verkehrssicherungspflicht zu beachten, trifft ihn kein Verschulden.21 Letztlich sind auch insoweit wieder alle Umstände des Einzelfalls heranzuziehen und zu berücksichtigen. Die subjektive Vorhersehbarkeit ist als Maßstab sinnvoll, damit die Verkehrssicherungspflicht nicht letztlich zu einem (verschuldensunabhängigen) Gefährdungstatbestand wird. Dass dadurch Haftungslücken entstehen, ist hinzunehmen. Andernfalls könnten generell Smart Products kaum mehr in der Praxis eingesetzt werden. Das allgemeine Lebensrisiko würde einseitig stark zum Nachteil des Nutzers des Smart Products verlagert.

3. Gefährdungshaftung

Dennoch gibt es auch Gefährdungstatbestände, die bei der Frage nach der Haftung für durch Fehlfunktionen des Smart Products herbeigeführte Schäden in Betracht kommen.

a) Produkthaftung

Dies ist vor allem die Produkthaftung, die den Hersteller der Smart Products trifft. Gem. § 1 Abs. 1 ProdHaftG muss der Hersteller eines Produktes den durch dieses aufgrund eines Fehlers eingetretenen Schaden an einem Rechtsgut ersetzen. Smart Products sind Produkte im Sinne des § 2 ProdHaftG, da diese Definition weit gefasst ist und alle beweglichen Sachen – selbst als Bestandteil einer anderen Sache – umfasst. Auch der Hersteller ist aus Sicht des Geschädigten leicht zu ermitteln, da dies gem. § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG jedenfalls derjenige ist, der das Produkt mit seiner Marke oder sonstigem Kennzeichen versehen hat. Der Endhersteller haftet vollumfänglich und zwar auch dann, wenn die eigentliche Fehlerquelle bei einem Zulieferer etwa von Software liegt.22

Allerdings sind im Produkthaftungsrecht bestimmte Haftungsgrenzen zu beachten. So greift die Produkthaftung gem. § 11 ProdHaftG erst bei Sachschäden ab einem Betrag von 500 Euro. Außerdem werden gem. § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG nur Sachschäden an einer anderen Sache als dem Produkt selbst umfasst. Diese Haftungsgrenzen gelten jedoch auch bislang schon. Es ist noch nicht ersichtlich, dass Smart Products, die im privaten Gebrauch sind, größere Schäden verursachen können als zum Beispiel die explodierende Mineralwasserflasche. Eine andere gesetzliche Wertung erübrigt sich daher. Auf der anderen Seite ist auch nicht verständlich, warum die Hersteller von Smart Products besser gestellt werden sollten etwa durch Beweiserleichterungen.23 Denn die in Anspruch genommen Hersteller können wiederum ihrerseits möglicherweise bei ihren Lieferanten Regress nehmen. Gem. § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG greift die Gefährdungshaftung für Sachschäden nur im Falle des privaten Gebrauchs und für Produkte ein, die gewöhnlich für den privaten Gebrauch bestimmt sind. Bei Industrierobotern greift die Produkthaftung somit nicht. Abhilfe könnte dort nur eine Gefährdungshaftung sui generis schaffen.

b) Gefährdungshaftung sui generis

Teilweise werden nun aufgrund der deliktsrechtlichen Zurechnungs- und Verschuldensprobleme Stimmen laut, die eine Gefährdungshaftung sui generis speziell für Smart Products verlangen.24 Das wäre jedoch zu weitgehend. Zunächst müsste dann im Vorfeld definiert werden, welche Sachen überhaupt als Smart Products gelten und somit unter die – verschuldensunabhängige – Gefährdungshaftung fallen sollen.

Außerdem soll eine Gefährdungshaftung nur dort eingreifen, wo eine Person Nutzen aus einem gefährlichen Betrieb, den er selbst eröffnet hat oder unterhält, zieht.25 Dies setzt also voraus, dass der Betrieb der Smart Products per se gefährlich ist. Dies lässt sich jedoch nicht für jedes mitdenkende und selbsthandelnde Produkt bestätigen. Zum Beispiel der Mähroboter: Natürlich bringt er seinem Eigentümer Nutzen und spart Kraft und Anstrengung. Theoretisch können bei einer Fehlfunktion auch Rechtsgüter Dritter (insbesondere die Rosen des Nachbarn) in Gefahr schweben. Trotzdem würde praktisch kaum ein sachverständiger Vorausschauender den Mähroboter immer und für alle Fälle als gefährliches Produkt einordnen. Eine Gefährdungshaftung sui generis ist jedoch auch nicht erforderlich, da sich nach der bisherigen Rechtslage, insbesondere der breiten Kasuistik zu Verkehrssicherungspflichten sach- und interessengerechte Lösungen im Einzelfall ohne gesetzgeberische Pauschalierung finden lassen. Für das im Moment meistdiskutierte Smart Product, nämlich das selbstfahrende Auto erübrigt sich eine solche Diskussion von vornherein, da es dort bereits breite Gefährdungstatbestände im Recht gibt.26

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II. Das selbstfahrende Auto

Das selbstfahrende Auto ist heutzutage teilweise – man denke nur an Spurassistenten und Einparkhilfen – schon Realität.27 Dort sind die Haftungsfragen durch die bisherigen Rechtsgrundlagen schon abgedeckt. Dem Geschädigten stehen stets Halter und Haftpflichtversicherung als Haftende gegenüber. Für den Straßenverkehr ist die Gefährdungshaftung des Halters schon lange etabliert. Gem. § 7 Abs. 1 StVG haftet gegenüber dem Geschädigten der Halter.28 Wer Halter ist, ist auch bei selbstfahrenden Autos leicht zu ermitteln. Halter ist derjenige, der das Auto im eigenen Namen nicht nur ganz vorübergehend für eigene Rechnung in Gebrauch hat und der die Verfügungsgewalt über das Auto ausübt.29 Dies ist also jedenfalls der Eigentümer des Autos. Bei längerfristiger Gebrauchsüberlassung kann daneben auch der Mieter als Halter angesehen werden.30 Als weitere Voraussetzung für die Halterhaftung gem. § 7 Abs. 1 StVG muss der Schaden “bei Betrieb” des Autos eingetreten sein. Dieses Tatbestandsmerkmal wird jedoch im Sinne einer möglichst lückenlosen Gefährdungshaftung von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Es genügt, dass das Auto durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.31 Die Rechtsprechung stellt insoweit bewusst nicht auf ein menschliches Handeln ab, sondern allein auf die Realisierung der allgemeinen Betriebsgefahr eines Autos im Straßenverkehr. Nach dieser “verkehrstechnischen Auffassung” genügt es also, dass das Auto sich im Verkehr befindet und (potentiell) andere Verkehrsteilnehmer aufgrund seiner Betriebsgefahr gefährdet.32 Für das selbstfahrende Auto ändert sich nichts, da es durch seine Fahrweise zu der Entstehung des Schadens beiträgt.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob neben dem Halter gem. § 18 Abs. 1 StVG auch der Fahrer des Autos haftet, da schließlich das selbstfahrende Auto nicht durch seine Insassen gesteuert wurde. Dies kann bei dem “klassischen Verkehrsunfall” für den Geschädigten auch aus prozesstaktischen Gründen von Interesse sein, da er durch direkte Inanspruchnahme auch des Fahrers mögliche Zeugen ausschließen kann. Die Regelung des § 18 Abs. 1 StVG stellt auf den “Fahrzeugführer” ab. Dies ist derjenige, der zum Zeitpunkt des Unfalls das Auto lenkt und die tatsächliche Gewalt über das Steuer hat.33 Das Auto wird jedoch nicht von seinem Insassen gelenkt, sondern fährt und lenkt selbstständig. Abzustellen wird dann auf die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug sein. Diese liegt letztlich immer noch bei seinen Insassen, jedenfalls solange, wie diese selbst jederzeit wieder das Steuer übernehmen und Aktionen des selbstfahrenden Autos überwachen und auch abbrechen können. In diese Richtung geht auch die von der Rechtsprechung zu § 2 StVO entwickelte Definition für das “Führen eines Fahrzeugs”. Danach führt derjenige das Auto, der es “unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt und es unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil leitet”.34 Insoweit ist demnach eher die tatsächliche Herrschaft über das Auto, als nur die Lenkbewegung am Steuer selbst entscheidend. Ähnlich ist die Situation übrigens bei einem Fahrlehrer, der gem. § 2 Abs. 15 S. 2 StVG ebenfalls als Fahrzeugführer angesehen wird, obwohl die eigentlichen Lenkbewegungen durch den Fahrschüler ausgeführt werden. Allerdings haftet der Fahrzeugführer gem. § 18 Abs. 1 StVG nur für vermutetes Verschulden und kann sich gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG exkulpieren. Dieser Entlastungsbeweis wird dem Fahrzeugführer bei einem selbstfahrenden Auto zumeist gelingen, da bereits der nachgewiesene technische Defekt die Verschuldensvermutung widerlegt.35 Wenn demnach der Unfall durch ein Versagen der Steuerung des selbstfahrenden Autos verursacht wurde, scheidet eine Haftung des Fahrers jedenfalls dann aus, wenn er nicht mit dem Defekt rechnen musste und außerdem das System kontrolliert und überwacht hat. Hier zeigt sich eine weitere Parallele zum Fahrlehrer: Der Fahrlehrer muss, um ein ordnungsgemäßes Fahren gewährleisten zu können, jederzeit in der Lage sein, sofort einzugreifen, wenn die Fahrweise des Schülers das erfordert.36 Daher muss auch der Insasse am Steuer eines selbstfahrenden Autos dieses stets “im Auge behalten”,37 andernfalls kann ihm der Entlastungsbeweis nicht gelingen. Der Insasse muss Aktionen des selbstfahrenden Autos, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Unfall führen können (zum Beispiel plötzliche Erhöhung der Geschwindigkeit, Kurvenschneiden, auf der falschen Fahrbahnseite fahren und so weiter), daher möglichst unterbinden und selbst wieder die Kontrolle übernehmen.

Unabhängig vom Halter und Fahrer hat der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte auch einen direkten Anspruch gem. § 115 VVG gegen die jeweilige Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss der Halter gem. § 1 PflVG verpflichtet ist. Über die Hotline der Versicherungsgesellschaften lässt sich außerdem auch der Halter des Autos als weiteres Haftungssubjekt ermitteln.

Die Haftungslage für den durch ein selbstfahrendes Auto Geschädigten ist demnach nach der bisherigen Rechtslage schon gut. Durch die Vorschriften des StVG, insbesondere die Gefährdungshaftung des Halters ist der Geschädigte gut geschützt. Eine Unsicherheit bleibt für den Geschädigten lediglich bezogen auf die Haftung des Fahrzeugführers, da dieser sich möglicherweise aufgrund des technischen Versagens des Autos exkulpieren kann.

III. Regress

Derjenige, der durch den Geschädigten in Anspruch genommen wurde, wird seinen Schaden beim Hersteller oder InTeR 2016 S. 17 (21) Verkäufer des Produktes, gegebenenfalls innerhalb der Vertriebskette ersetzt verlangen wollen.

1. Regress beim Hersteller des Smart Products

Zunächst wird der auf Schadensersatz Inanspruchgenommene sich an denjenigen wenden, von dem er das Produkt erhalten hat. Das wird zumeist der Verkäufer sein. Sollte dort aufgrund von Verjährung oder weil kein Mangel nachweisbar ist, kein Ersatz zu bekommen sein, wird der Inanspruchgenommene sich weiter an den Hersteller wenden. Der Verkäufer wiederum wird ebenfalls innerhalb der Lieferkette Regress nehmen und so weiter.

a) Verbrauchsgüterkauf

Besonderheiten sind beim Verbrauchsgüterkauf gem. §§ 474 ff. BGB zu beachten. Es gibt dort vor allem Beweiserleichterungen, insbesondere wird innerhalb der ersten sechs Monate gem. § 476 BGB vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Auch Smart Products können Verbrauchsgüter sein, da der Verbrauchsgüterkauf schon dann vorliegt, wenn ein Verbraucher bei einem Unternehmer eine bewegliche Sache, zum Beispiel einen Rasenmähroboter kauft.38 Daher fallen letztlich alle Smart Products, die ein Verbraucher bei einem Unternehmer kauft, in den Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs. Eine weitere Besonderheit des Verbrauchsgüterkaufs ist der bereits im Gesetz in § 478 Abs. 1 BGB geregelte Regressanspruch des Verkäufers gegen seinen Lieferanten. Der Verkäufer kann sich dadurch schadlos halten. Allerdings wird in den überwiegenden Fällen der Lieferant von Software nicht gegenüber dem Hersteller auf Regress haften, da der Softwarehersteller bloßer Zulieferer ist und nicht auch die Hardware oder gar das fertige Produkt geliefert hat.39 Sofern der Fehler des Smart Products also in einer zugelieferten Software liegt, kann der Hersteller nur über die vertraglichen Mängelrechte Regress nehmen. Er muss vor allem im Hinblick auf die gegenüber dem Endverbraucher gem. § 475 Abs. 2 BGB nicht abkürzbare kaufrechtliche Gewährleistungsfrist auf eine genaue Gestaltung der Haftungsregelungen im Vertrag achten.

b) Produkthaftung

Der Schädiger kann aber auch versuchen, direkt den Hersteller des Produktes in Anspruch zu nehmen. Dem Geschädigten steht, sofern er Verbraucher ist, neben dem Anspruch gegen den Schädiger aus § 823 Abs. 1 BGB auch ein Anspruch gegen den Hersteller aus Produkthaftung gem. § 1 Abs. 1 ProdHaftG zu. Diesen Anspruch kann sich der Schädiger abtreten lassen und dann wiederum versuchen, direkt beim Hersteller Regress zu nehmen, anstatt bei dem Verkäufer.

2. Haftungsketten

Es können sich dadurch regelrechte Haftungs- und Regressketten entwickeln, wenn der Hersteller bei seinen Lieferanten Regress nimmt, die wiederum ihre Lieferanten in Regress nehmen und so weiter. Bei mehreren Schuldnern stellt sich generell die Frage, in welchem Verhältnis sie untereinander stehen und ob sie sich innerhalb einer Regresskette in Anspruch nehmen können.40

Im Vertragsverhältnis des Herstellers zu seinen Lieferanten hat der Hersteller die gleichen Mängelgewährleistungsrechte wie derjenige, an den der Hersteller das Produkt wiederum geliefert hat. Insbesondere kann der Hersteller als Mangelschaden Regress über §§ 437, 634, 280 Abs. 1 BGB nehmen, sofern deren Voraussetzungen vorliegen.

Mehrere Schädiger nebeneinander haften als Gesamtschuldner gem. § 840 Abs. 1 BGB bzw. § 5 ProdHaftG.41 Im Innenverhältnis richtet sich der Ausgleich untereinander dann vor allem nach § 426 Abs. 2 BGB, wonach ein Gesamtschuldner einen Ausgleichsanspruch gegen einen anderen Gesamtschuldner im Innenverhältnis hat. Insoweit stellt § 5 S. 2 ProdHaftG für den Ausgleich im Innenverhältnis noch darauf ab, ob der Schaden bei mehreren (Teil-)Herstellern vorwiegend von dem einen oder dem anderen verursacht wurde.

IV. Fazit

Unlösbar sind die Haftungsthemen, die durch die Einführung von Smart Products auftreten, nicht. Das geltende Recht bietet gute Möglichkeiten, bei durch Smart Products verursachte Schäden Regress zu nehmen. Die Probleme der Zurechnung und des Verschuldens lassen sich über die bestehende Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten sinnvoll lösen. Insoweit lassen sich Geschehensabläufe und Risiken kaum verallgemeinern; eine Rundumlösung für alle Gefahren, die möglicherweise von Smart Products ausgehen, kann es nicht geben. Auch die Regelungen zur Produkthaftung bieten einen guten Schutz für möglicherweise Geschädigte.

Dies gilt auch für die Regelungen zur Haftung im Straßenverkehr, die – mit leichten Argumentationsschwierigkeiten hinsichtlich des Fahrers – leicht auch auf das momentan bekannteste Smart Product, das selbstfahrende Auto übertragen werden können.

Andererseits kann es das Gesetz nicht leisten, dass der Geschädigte sich vollumfassend schadlos hält. Es ist einfach nicht möglich, vor allen Gefahren des Alltags zu schützen und für alle drohenden Schäden stets einen Schuldigen zu finden, den man in Anspruch nehmen kann. Es kommt dabei letztlich darauf an, aus welcher Sphäre der Schaden herrührt. Allgemeine Unglücksfälle sind nicht vermeidbar und können nicht über Schadensersatzregelungen abgedeckt werden. Aus dem Grunde ist es auch nicht sinnvoll, über die bestehenden Regelungen zur Produkthaftung und zur Gefährdungshaftung im Straßenverkehr hinaus einen Gefährdungstatbestand sui generis für Smart Products einzuführen.

*

Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag bei der DSRI-Herbstakademie 2015, der im Tagungsband Jürgen Taeger (Hrsg.), Internet der Dinge – Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, Edewecht 2015, veröffentlicht wurde. Mehr über den Autor erfahren Sie auf Seite III.

1

Weidenkaff, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 437, Rn. 35.

2

Grüneberg, in: Palandt (Fn. 1), § 280, Rn. 40.

3

Weidenkaff, in: Palandt (Fn. 1) § 438, Rn. 11.

4

Vgl. Beck, JR 2009, 225, 227.

5

Staudinger, in: Schulze, Reiner u. a., Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 8. Aufl. 2014 (Hk-BGB), § 823, Rn. 45.

6

Hanisch, in: Hilgendorf, Eric/Günther, Jan-Philipp (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung, Beiträge der Tagung vom 7. bis 9. 5. 2012 in Bielefeld, 2012, S. 109.

7

Vgl. Raab, JuS 2002, 1041, 1042.

8

Vgl. Staudinger, in: Hk-BGB (Fn. 5), § 823, Rn. 61; Sprau, in: Palandt (Fn.1), § 823, Rn. 45.

9

Ständige Rechtsprechung siehe nur BGH NJW 2007, 762, 763, Rn. 11 m. w. N.

10

BGH NJW 2004, 1449, 1450.

11

BGH ebenda.

12

BGH, NJW 2007, 762, 763, Rn. 11; NJW-RR 2003, 1459, 1460.

13

Sprau, in: Palandt (Fn. 1), § 823, Rn. 46.

14

Sprau, in: Palandt (Fn. 1), § 823, Rn. 51; Staudinger, in: Hk-BGB (Fn. 5), § 823, Rn. 65.

15

Vgl. Sprau, in: Palandt (Fn.1), § 823, Rn. 51.

16

Staudinger, in: Hk-BGB (Fn. 5), § 823, Rn. 84.

17

Vgl. Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137, 1138 f.

18

Sprau, in: Palandt (Fn. 1), § 823, Rn. 45.

19

Raab, JuS 2002, 1041, 1047.

20

Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137, 1139.

21

Raab, JuS 2002, 1041, 1048.

22

Meyer/Harland, CR 2007, 689, 692.

23

In diese Richtung Beck, JR 2009, 225, 227.

24

Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137, 1139.

25

Palandt/Sprau (Fn.1), Einf. v. § 823, Rn. 6.

26

So auch Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137, 1138.

27

Vgl. auch Lutz, NJW 2015, 119; Hanisch, in: Hilgendorf/Günther (Fn. 6), S. 109.

28

Lutz, NJW 2015, 119.

29

Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 23. Aufl. 2014, § 7 StVG, Rn. 5 m. w. N.

30

OLG Hamm VersR 1991, 220.

31

BGH NJW 2010, 3713, Rn. 5.

32

Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker (Fn. 29), § 7 StVG, Rn. 7.

33

Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker (Fn. 29), § 18 StVG, Rn. 3.

34

Ständige Rechtsprechung, BGHSt 18, 6, 8.

35

Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker (Fn. 29), § 18 StVG, Rn. 8.

36

OLG Koblenz NZV 2004, 401, 402.

37

OLG Koblenz NZV 2004, 401, 402.

38

Saenger, in: Hk-BGB (Fn. 5), § 474, Rn. 2.

39

Meyer/Harland, CR 2007, 689, 692.

40

Hanisch, in: Hilgendorf/Günther (Fn. 6), S. 109, 115.

41

Vgl. Meyer/Harland, CR 2007, 689, 692.

 
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