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BB 2017, I
Brunn 

Arbeitnehmer und Arbeitgeber wollen flexiblere Arbeitszeiten

Abbildung 1

Mobiles Arbeiten, Home Office, Vertrauensarbeitszeit – die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeitgestaltung sind so vielseitig wie nie zuvor. Doch leider orientiert sich das aktuelle Arbeitszeitrecht an einer starren Pauschalregelung für Fließbandarbeiter. Damit ist weder den Arbeitnehmern noch den Arbeitgebern gedient. Und schon gar nicht kann die deutsche Wirtschaft damit die rasant voranschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt bewältigen, geschweige denn zukunfts- und wettbewerbsfähig bleiben.

In der deutschen Metall- und Elektro-Industrie z. B. sind die Beschäftigten mit den Gestaltungsspielräumen, die sie von ihren Arbeitgebern für ihre eigene Arbeitszeit bekommen, sehr zufrieden. Dies zeigt eine im Januar 2017 von Emnid bei 1005 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie durchgeführte Umfrage, wonach die Hälfte aller Arbeitnehmer erklären, ihre Arbeitszeit gut planen zu können, ein weiteres Viertel, es wenigstens manchmal zu schaffen. Aber sowohl Mitarbeiter als auch Arbeitgeber wollen, dass sie Arbeitszeiten an das moderne Leben und die allgegenwärtige digitale Transformation anpassen können. Laut einer von IW Consult durchgeführten Umfrage bei 1153 Metall- und Elektro-Arbeitgebern sehen knapp 70 % Flexibilisierungsbedarf beim Arbeitszeitgesetz.

Warum muss der Gesetzgeber verbieten, dass Arbeitnehmer z. B. drei Tage elf Stunden arbeiten, dann am Donnerstag noch einige Stunden und den Rest der Woche frei haben, wenn sie das wollen? Das Arbeitszeitgesetz untersagt aber solche Möglichkeiten in der betrieblichen Praxis. Ziel muss also eine längst überfällige Anpassung des gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Gestaltungsrahmens sein.

Im Land mit den weltweit zweitniedrigsten Arbeitszeiten sehen die Arbeitgeber die Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes als zentralen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Metall- und Elektro-Unternehmen. Der Kunde entscheidet, wann und in welcher Qualität er Produkte und Dienstleistungen abnimmt. Dem müssen die Arbeitszeiten Rechnung tragen. Nur so können die Unternehmen ihren Geschäftserfolg nachhaltig erhöhen und die Beschäftigung vor Ort sichern, ggf. sogar ausbauen.

In der modernen Arbeitswelt schuldet der selbstständig handelnde Mitarbeiter Erfolge, nicht Anwesenheit. Moderne Arbeitssysteme räumen den Beschäftigten ein hohes Maß an Flexibilität ein. Mehr Flexibilität ermöglicht mehr individuelle Zeitsouveränität, um Beruf und Privateben zu vereinbaren. Aber es darf keinen Rechtsanspruch darauf geben. Vielmehr müssen autonome, kundenverantwortliche Gruppen die erfolgreiche Orientierung der Arbeit an den Kundenbedürfnissen mit den individuellen Wünschen der Arbeitnehmer ausbalancieren. Dann ermöglichen moderne Arbeitszeitmodelle, die Lage der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit mit individuellen Bedürfnissen, wie Kinderbetreuung, Angehörigenpflege oder Wahrnehmung eines Ehrenamtes, in Einklang zu bringen. Die Beteiligten können flexible Arbeitszeiten, die beiden Seiten gerecht werden, jedoch nur umsetzen, wenn der Gesetzgeber das Arbeitszeitrecht mit seinen starren Pauschallösungen endlich modernisiert. Genau das fordern die Arbeitgeber der Metall- und Elektro-Industrie und ihr Arbeitgeberverband in Hessen, HESSENMETALL.

Erforderlich sind eine Verringerung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit sowie eine Regelung zur Unbedenklichkeit kurzfristiger Unterbrechungen. Es ist nicht einzusehen, dass eine 11-stündige gesetzliche Ruhezeit immer wegen jeder Unterbrechung neu zu laufen beginnt, wenn ein Mitarbeiter abends oder am Sonntag gelegentlich seine Mails checkt, um vorbereitet sein Tag- oder Wochenwerk anzugehen. Den Tarifparteien müssen größere Handlungsspielräume eingeräumt werden, um Beschäftigten mehr Souveränität in ihrer Arbeitszeitgestaltung bieten zu können.

Ein limitierender Faktor bleibt auch die werktägliche Höchstarbeitszeit. Der deutsche Gesetzgeber hat den Spielraum der maßgeblichen EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht hinreichend genutzt. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und eine Stärkung der betrieblichen Abläufe werden durch die Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit erreicht. Die Beschäftigten arbeiten nicht mehr, sondern im Einzelfall kann die Beschäftigungszeit flexibler verteilt werden.

Aufzeichnungspflichten der Arbeitgeber stehen in der betrieblichen Praxis neuen Arbeitszeitmodellen entgegen. Im beiderseitigen Interesse ist die Aufzeichnungspflicht auf die Beschäftigten zu übertragen, um die Eigenverantwortung der Arbeitnehmer zu stärken.

Ein wesentliches Flexibilisierungsinstrument der Unternehmen im digitalen Zeitalter bleibt die Arbeit auf Abruf. Eine Modernisierung ist für eine schnelle Reaktionsfähigkeit der Wirtschaft unerlässlich. Die im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) enthaltenen Regelungen, insbesondere die Ankündigungsfrist von vier Tagen, werden den Änderungen im Kundenverhalten nicht mehr gerecht.

Der Ball liegt nun im Feld des Gesetzgebers. Pauschale gesetzliche Regelungen werden dem nötigen Interessenausgleich nicht mehr gerecht. Dringend gebraucht wird ein stabiler Rahmen mit Spielräumen und Schutzrechten, welcher der Vielfalt der modernen Arbeitswelten entspricht – und der dann von den Sozialpartnern und Betriebsparteien durch Tarifverträge branchenspezifisch und Betriebsvereinbarungen unternehmensangepasst ausgestaltet werden kann. Politik und Sozialpartner müssen diese Veränderungsprozesse durch eine konstruktive Rahmensetzung gestalten, um auch in Zukunft attraktive, sichere und wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen nicht nur in der hessischen Metall- und Elektro-Industrie zu gewährleisten.

Dr. Thomas Brunn, Stv. Vorstandsvorsitzender von HESSENMETALL, Director Human Resources Germany/Labor Relations, GE Germany.

 
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