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Praxishandbuch Glücksspielrecht in Deutschland (2023), S. V—VII 
Vorwort 
Mirko Benesch, Marcus Röll 

V Vorwort

Lange war das Glücksspielrecht in Deutschland für Juristen eine eher unbedeutende Randmaterie. Dies änderte sich spätestens als zum 1.7.2012 der erste Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV 2012) in Kraft trat. Vorangegangen waren verschiedene Urteile des Bundesverfassungsgerichts (insbesondere das Grundsatzurteil zu Sportwetten im Jahre 2006) und des EuGH zum Staatsmonopol für Lotterien und Sportwetten bzw. zur fraglichen (Un-)Vereinbarkeit des GlüStV 2008 mit europäischem Recht. Zwar stimme der GlüStV 2012 in weiten Teilen mit dem GlüStV 2008 überein, jedoch enthielt er auch etliche für die Glücksspielbranche brisante Neuerungen.

Zentrale Neuerungen waren u.a. die Liberalisierung des Sportwettenmarktes mit der sogenannten 7-jährigen „Experimentierklausel“ sowie eine drastische neue Regulierung des Automatenspiels, durch u.a. die Einführung von Abstandsvorschriften sowie das Verbot von Mehrfachspielhallen in einem Gebäudekomplex.

Die im GlüStV 2012 genannten gleichrangigen Ziele sollten dabei bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von Glücksspielangeboten schaffen und primär der Bekämpfung von Suchtgefahren dienen.

Sportwettunternehmen hatten 2012 zunächst noch die Hoffnung auf eine baldige Konzessionsvergabe und damit einen rechtssichern zukünftigen Betrieb. Diese Hoffnung wurde aber schon bald enttäuscht, da es zu der beabsichtigten Erprobung eines Erlaubnissystems für bis zu 20 Sportwettveranstalter unter dem GlüStV 2012 nicht kam. Zu mangelhaft war die Ausgestaltung im GlüStV 2012 und das hierauf basierende Genehmigungsverfahren des Bundeslandes Hessen. Erst nach weiteren Anpassungen des GlüStV im Jahre 2019 konnte im Jahre 2020, und damit nach acht Jahren, die ersten Erlaubnisse erteilt werden, welche auch Bestand hatten.

Ähnlich chaotisch verlief auch die Umsetzung des GlüStV 2012 für die Betreiber von Spielhallen. Schnell nach dem Inkrafttreten war klar, dass dieser Glücksspielstaatsvertrag und seine konkrete Umsetzung durch die jeweiligen Bundesländer dramatische Auswirkungen auf die Automatenbranche hatte. Bisher unbefristete Erlaubnisse, auf deren Basis viele Betreiber jahrzehntelang ihre Spielhallen betrieben, endeten nun weitgehend kollektiv am 30.6.2017, für einige sogar bereits zum 30.6.2013. Spielhallenbetreiber mussten nun Sozialkonzepte erstellen, Mitarbeiter schulen und neue Erlaubnisse beantragen ohne dass in vielen Bundesländern die rechtlichen Rahmenbedingungen klar definiert waren. Neben unzureichenden Präzisierungen im Glücksspielstaatsvertrag selbst, fehlten oft hinreichende Ausführungsbestimmungen bzw. Ländergesetze, um den Betreibern klare rechtliche Handlungsabläufe vorzugeben.

Eine kollektive Unsicherheit machte sich in der Spielhallenbranche breit, welche sich mit einem Heranrücken des 30.6.2017 stetig steigerte. Man hatte als Betreiber diesen Stichtag jahrelang im Auge, jedoch wussten weder die beteiligten Juristen, noch die zuständigen Behörden was danach kommen wird. Wird man wieder eine Erlaubnis erhalten? Kommt man mit der Geltendmachung eines Härtefalls durch?

VI Wenn ja für wie lange? Wie werden die bei einer Abstandsproblematik zwischen zwei Spielhallen notwendigen Auswahlverfahren durchgeführt? Etc. Die Fragen waren vielfältig und niemand konnte sichere Antworten geben, am wenigsten die für die neuen Erlaubnisse zuständigen Behörden. Mangelnde und oft unpräzise gesetzliche Vorgaben wurden in der Folgezeit durch eine Flut an teils divergierenden Urteilen ersetzt, sodass sich außer ausgewiesen Fachleuten im Glücksspielrecht kaum noch Betreiber, Behörden oder auch Juristen in dieser Materie zurechtfanden.

Rückblickend kann man festhalten, dass der Glücksspielstaatsvertrag 2012 es in wesentlichen Teilen nicht schaffte, die von ihm selbst proklamierten Ziele umzusetzen. Weder das Totalverbot von Glücksspielen im Internet schaffte eine Austrocknung des Schwarzmarktes, noch die schwerlich umsetzbaren Regeln zu Sportwetten. Auch eine Vereinheitlichung des Glücksspielrechts war jedenfalls im Bereich des Automatenspiels nicht erreicht worden.

Entsprechend groß war die Hoffnung, dass man beim Glücksspielstaatsvertrag 2021 aus den bisherigen Versäumnissen und Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Ein neuer Glücksspielstaatsvertrag war 2021 bereits aufgrund der Befristung des bisherigen Staatsvertrages mit Ablauf des 30.6.2021 zwingend notwendig.

Der GlüStV 2021 führte insbesondere Neuerungen in den Bereichen des Sperrsystems (OASIS), Regulierung (und damit die erstmalige Erlaubnisfähigkeit) von Online-Casinos, Online-Poker und virtuellem Automatenspiel, Zulassung von Live-Sportwetten in begrenztem Umfang und Errichtung einer zentralen Vollzugsbehörde in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts für den Online-Bereich ein. Der Sinneswandel betreffend die Zulassung von Online-Angeboten ist der, eigentlich selbstverständlichen, Erkenntnis geschuldet, dass bei einer extrem restriktiven Regulierung das Ausweichen der Spieler in den Schwarzmarkt die logische Folge ist. Warum diese Erkenntnis nicht auch auf den Bereich der Spielhallen Anwendung gefunden hat, ist letztlich unverständlich. Auch hier ergibt sich aufgrund einer immer stärkeren Regulierung und Zurückdrängung des, an sich sehr gut kontrollierbaren stationären Marktes, eine starke Abwanderung der Spieler in den (illegalen) Online-Markt oder auch in illegale stationäre Ausformungen wie den sogenannten „Fun-Games“, „Café-“ und „Hinterhofcasinos“.

Das Glücksspielrecht ist somit spätestens seit 2012 geprägt durch unzählige Gerichtsurteile, welche letztendlich das rechtliche zulässige Verfahren bzw. Vorgehen bestimmen. Dies macht es aber für Betreiber und auch Juristen so unglaublich schwer sich in diesem Dschungel an Urteilen, unterschiedlichsten landesrechtlichen Umsetzungen und (ministerialen) Hinweisen zurechtzufinden.

Die Herausgeber wollten daher kein klassisches Lehrbuch schaffen, sondern ausdrücklich ein „Praxishandbuch“, welches sich an der juristischen Realität in der Praxis ausrichtet, von Praktikern geschrieben wurde und auch für den juristischen Laien lesbar ist. Die Kanzlei der Herausgeber hat seit dem Inkrafttreten des GlüStV 2012 tausende (Antrags-)Verfahren in verschiedenen Glücksspielformen geführt. Gleichfalls wirkten die Herausgeber mit ihrer Kanzlei in einer Vielzahl unterschiedlichster Verfahren in allen Instanzebenen der Verwaltungsgerichtsbar VII keit, wie auch durch Verfassungsbeschwerdeverfahren auf die aktuelle Anwendung des Glücksspielstaatsvertrages in vielen Bereichen ein.

Nach wie vor stehen die Herausgeber etlichen gesetzlichen Regelungen, Entscheidungen von Verwaltungsgerichten oder Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages sowohl in rechtlicher, als auch in praktischer Hinsicht äußerst kritisch gegenüber. Die Intension dieses Werkes besteht allerdings darin, bestmöglich die aktuelle Realität abzubilden. Ob einige Regelungen bzw. Gesetze, welche heute beachtet werden müssen, dauerhaft bestand haben, wird in den nächsten Jahren erst noch durch nationale oder europäische Gerichte geklärt werden müssen.

1.6.2023

Mirko Benesch

Marcus Röll

 
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