Novellierung des europäischen Regelungsrahmenwerks für Verbriefungen – Chance zur Ankurbelung von Investitionen
Die Wirtschaft, die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament müssen nun an einem Strang ziehen, um das Reformpaket möglichst bald in Kraft zu setzen.
17 Jahre lang, seit der Lehman-Insolvenz und dem Beginn der Finanzkrise, war der Verbriefungsmarkt in Deutschland und in der Europäischen Union (EU) in einen sanften Dornröschenschlaf versunken. Diesen hat die Europäische Kommission nun am 17.6.2025 beendet – man möchte sagen: endlich – und eine Diskussion über die Vereinfachung, Liberalisierung und letztendlich auch Deregulierung in Gang gesetzt. Bei vielen Marktbeobachtern gingen danach sofort “rote Lampen” an (so etwa bei der österreichischen Bundesarbeitskammer, PM vom 4.7.2025, https://www.akeuropa.eu/de/foerderung-von-investitionen-durch-die-neubelebung-von-verbriefungen-zweifel-sind-angebracht, Abruf: 25.8.2025), während die Finanzwirtschaft die Initiative durchwegs positiv aufnahm (vgl. Deutsche Kreditwirtschaft, PM vom 17.6.2025, https://bankenverband.de/die-deutsche-kreditwirtschaft/eu-vorschlaege-zur-verbriefung-deutsche-kreditwirtschaft-sieht-richtige-ansaetze, Abruf: 25.8.2025).
Verbriefungen stehen für viele in engem Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 und Stichwörtern wie “Subprime”, “Asset Backed Securities” sowie der Abwicklung einst strahlkräftiger deutscher Institute, wie der WestLB, und gehören im allgemeinen sowie im journalistischen Sprachgebrauch gerne zu den sog. toxischen Wertpapieren. Doch geht es der Kommission mit dem aktuellen Vorschlag wirklich darum, die Lessons Learned aus der Finanzkrise wieder wegzuräumen?
Zur Einordnung hilft ein Blick in die beiden Vorschläge vom 17.6.2025 zur Änderung des regulatorischen Rahmens für Kreditinstitute (COM(2025) 825 final) sowie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Verbriefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen (COM(2025) 826 final). In ihrer Begründung zu den beiden Vorschlägen greift die Kommission bereits die (antizipierten) Befürchtungen auf, und so heißt es dazu:
“Der EU-Verbriefungsrahmen wurde nach der Finanzkrise 2008 geschaffen und trug Bedenken hinsichtlich risikoreicher Verbriefungen in den USA Rechnung. Damals wurden strenge Anforderungen als notwendig erachtet, [. . .].”
Genauso hatte die Kommission in der Vergangenheit, zuletzt aktualisiert in den VO 575/2013 (ABlEU vom 27.6.2013, L 176, 1) und 2017/2402 (ABlEU vom 28.12.2017, L 347, 35), agiert. Doch was war die Konsequenz? Die Konsequenz war, dass der europäische Verbriefungsmarkt – in deutlichem Unterschied zu der Situation in den USA – massiv geschrumpft ist. Die Folge ist bis heute, dass Verbriefungsinstrumente in Deutschland und Europa im Vergleich zu den internationalen, insbesondere angloamerikanischen, Märkten unterentwickelt sind.
Europäische Verbriefungen sind aufwändig, teuer und die dahinterstehende Idee, Forderungen in handelsfähige Wertpapiere umzuwandeln und am Kapitalmarkt zu platzieren, ist deshalb unattraktiv und letztendlich mit einem Aufsichts- und Marktmalus versehen. Das führt dazu, dass Banken – welche im aktuellen Umfeld besonders profitieren könnten – weniger Mittel zur Kreditvergabe, nicht zuletzt an die Wirtschaft, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), zur Verfügung stellen. Insoweit ist es nachvollziehbar, dass es in der Begründung des Verordnungsvorschlags für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen heißt, dass der derzeitige Rahmen in der EU für die Finanz- und übrige Wirtschaft ein Hemmnis darstellt, “die vielen Vorteile der Verbriefung” zu nutzen. Ganz besonders im Blick steht dabei die Finanzierung des Mittelstands als “Rückgrat” der deutschen Wirtschaft.
Auf der anderen Seite kann man bei einem solchen Thema die “historischen” Bedenken nicht einfach ignorieren. Ziel muss es also sein, einen “europäischen Weg” aufzuzeigen, der die vielen Fortschritte bei der Risikovorsorge in der EU infolge der Finanzkrise bewahrt, die sich z. B. darin zeigen, wie stark die Non-Performing-Loans-Quote nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit zurückgegangen ist, oder wie resilient EU-Unternehmen in einer epochalen Krise wie der Corona-Pandemie waren.
Auf der anderen Seite bedarf die aktuelle gesamtwirtschaftliche Situation – wir stehen mitten in einer kleinen Rezession – ganz erheblicher Investitionen, wobei die Finanzmittel dafür üblicherweise durch Banken zur Verfügung gestellt werden. Banken können aber dann mehr Fremdkapital zur Verfügung stellen, wenn sie ihre Risiken durch Verbriefungen einfacher und effizienter verlagern und Investoren solche Wertpapiere durch schlankere Prozesse, Standardisierung und eine deshalb vereinfachte Due Diligence mit weniger Aufwand erwerben können. Letztendlich wird dadurch die Liquidität im Markt erheblich gestärkt, und vielleicht gelingt es in der Folge, endlich die im internationalen Verhältnis übergroßen europäischen Sparguthaben für den wirtschaftlichen Aufschwung stärker zu nutzen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die aktuellen Vorschläge konkret auf der Evaluation der beiden nun zur Novellierung anstehenden Verordnungen aus den Jahren 2013 und 2017 aufbauen. Ziel ist es, die Erfahrungen daraus proaktiv umzusetzen. Insoweit können die kritischen Stimmen nicht überzeugen, denn dies ist mitnichten eine Rückkehr in die 2000er Jahre. Es besteht allerdings eine andere Gefahr: Dass sich den Reformvorschlägen nun eine Diskussion von zwölf, 18 oder 24 Monaten anschließt. Eine solche Verzögerung können wir uns nicht leisten, auch wenn es sich um direkt anwendbare Verordnungen handelt. Die Wirtschaft, die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament müssen nun an einem Strang ziehen, um das Reformpaket möglichst bald in Kraft zu setzen. Dabei geht es nicht darum, ein Level Playing Field mit den USA zu erreichen, sondern einen angemessen regulierten, transparenten und für internationale Anleger attraktiven europäischen Verbriefungsmarkt zu schaffen. Viele Investoren aus den USA werden dies ganz sicher begrüßen, und es wird Europa im internationalen Wettbewerb stärken.
Prof. Dr. Christoph Schalast, RA, Notar, ist Managing Partner der Kanzlei Schalast LAW | TAX in Frankfurt a. M. Schwerpunkte seiner Tätigkeit als Anwalt und Notar sind M&A, Real Estate sowie das Bank- und Finanzmarktrecht. An der Frankfurt School of Finance & Management leitet er den Master-Studiengang M&A.