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Sicherheit, Gefahr, Risiko und Vorsorge im Lebensmittelrecht: Ein Beitrag zur Klärung von Begrifflichkeiten und Konzeption in der BasisVO [Verordnung (EG) Nr. 178/2002] (2025), S. Seite 108—Seite 111 
I. Die Konsultation mit den Beteiligten … 
Alexander Thomas Lang 

I. Die Konsultation mit den Beteiligten zur Abwägung der strategischen Alternativen

Soweit sich beispielsweise aus den Erkenntnissen der Risikobewertung ergibt, dass Risikomanagementmaßnahmen erforderlich und zu veranlassen sind, 720 Seite 108 sieht die Legaldefinition des Risikomanagements in Art. 3 Nr. 12 BasisVO eine sog. Konsultation mit den Beteiligten vor, nämlich dass sich die zuständigen Behörden mit den betroffenen Lebensmittel- und Futtermittelunternehmern zwecks Abwägung der strategischen Alternativen noch vor dem diesbezüglichen Erlass ins Benehmen setzen, 721 was freilich – auch wenn dies so nicht ausdrücklich geregelt ist – nur für solche Fälle gelten kann, in denen keine dringenden Risiken für die Gesundheit im Raume stehen, die wiederum den Erlass von Sofortmaßnahmen gebieten. 722

Diese Konsultation mit den Beteiligten wird mitunter vereinzelt als ein Teil der Risikokommunikation, also des dritten und letzten Einzelschrittes der Risikoanalyse, angesehen, 723 was aber schon in systematisch-konzeptioneller Hinsicht nicht überzeugen kann, da die Risikokommunikation sowohl ausweislich ihrer Legaldefinition aus Art. 3 Nr. 13 BasisVO 724 als auch der einschlägigen Art. 8a, 8b und 8c BasisVO eher allgemeine und grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Lebens- oder Futtermitteln und der Verbraucherinteressen, nicht jedoch konkrete Aspekte – um den deutschen polizeirechtlichen Terminus zu bedienen – der Gefahrenabwehr in Bezug nimmt. Dementsprechend unterscheidet sich auch der Kreis der potentiell Mitwirkenden, welcher für den Einzelschritt der Risikokommunikation sehr viel weiter gefasst ist und sämtliche mit lebensmitteltechnischen oder -rechtlichen Themen befasste Interessensgruppen, auch der Verbraucherschaft, einbezieht, während sich die Konsultation mit den Beteiligten im Rahmen des Risikomanagements – so auch der unterschiedliche Passus der Legaldefinitionen aus Art. 3 Nrn. 12 und 13 BasisVO – auf die konkret Beteiligten beschränkt. 725

Seite 109 Natürlich weisen beide Komponenten durchaus relevante Überschneidungen auf, die eine trennscharfe Differenzierung zwischen Risikomanagement und Risikokommunikation dementsprechend nur schwerlich zulassen, 726 weswegen in nachvollziehbarer Weise aus der umgekehrten Blickrichtung 727 die Risikokommunikation wegen ihres engen Zusammenhanges 728 mit dem Risikomanagement häufig als ein Unterfall desselben bezeichnet wird. 729 Gleichwohl stechen die unterschiedlichen Stoßrichtungen klar ins Auge: Denn während Risikokommunikation allgemein den Zweck verfolgt, einen interaktiven Austausch von Informationen und Meinungen über Gefahren und Risiken, risikobezogener Faktoren sowie der Risikowahrnehmung zu betreiben und hierbei sämtliche interessierten Kreise einbezieht, mithin die Einzelprozesse der Risikobewertung und des Risikomanagements umfassend begleitet, 730 um den Informationsfluss zwischen allen potentiell oder nur mittelbar Betroffenen und das gegen- wie wechselseitige Verständnis untereinander zu gewährleisten, 731 knüpft die sog. Konsultation mit den Beteiligten im Sinne des Art. 3 Nr. 12 BasisVO sehr viel konkreter an. Dieser engere Anknüpfungspunkt, der gerade eine Konsultation zur Abwägung der strategischen Alternativen und der Wahl geeigneter Präventions- und Kontrollmöglichkeiten 732 und nicht nur einen allgemeinen, interaktiven Informationsaustausch 733 in Bezug nimmt, könnte somit eher eine Ähnlichkeit zu dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Insti Seite 110 tut der Anhörung aus dem deutschen Recht 734 aufweisen, freilich ohne jenes hier in dieser verpflichtenden Form zu statuieren.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Konsultation mit den Beteiligten keine sog. Einbahnstraße darstellt, sondern mit Blick auf Art. 19 und 20 BasisVO auch die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer dazu verpflichtet sind, die zuständigen Behörden in entsprechender Weise zu unterrichten, also zu konsultieren, wenn sie Grund zu der Annahme haben, dass ein bereits eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Lebens- oder Futtermittel nicht den Anforderungen an die Lebensmittel- bzw. Futtermittelsicherheit entspricht, 735 um eine gemeinsame Herangehensweise und Zusammenarbeit zur Eindämmung oder zumindest zur Minimierung des Risikos im konkreten Einzelfall überhaupt erst zu ermöglichen, 736 was wiederum im Einklang mit der Konzeption des Lebensmittelrechts als Risikoverwaltungsrecht respektive der diesbezüglich kooperativen Aufgabenerledigung steht. 737

Vor diesem Hintergrund erscheint es unbeschadet der großen Überlappungen zwischen der Risikokommunikation und der Konsultation mit den Beteiligten, letztere tatsächlich als einen dem Erlass von entsprechenden Maßnahmen vorgelagerten (formalen) Verfahrensschritt zu klassifizieren, nicht jedoch als einen Teil der Risikokommunikation, obschon dieser freilich auch die allgemeine Risikokommunikation zu kanalisieren vermag, dabei aber einerseits vornehmlich eine dienende Funktion zur Ermittlung der materiellen Richtigkeit staatlichen Handelns in Form des Risikomanagements übernimmt – ähnlich dem Anhörungsrecht bzw. der Anhörungspflicht aus dem deutschen Verwaltungsrecht – und andererseits über eine bloße Erhebung weiterer Informationen hinausgeht, indem solche aus dem Blickwinkel der betroffenen Lebens- oder Futtermittelunternehmer nicht lediglich im Sinne rechtlichen Gehörs in das Risikomanagement eingebracht würden, sondern überdies in eine konkrete Zusammenarbeit bei der Bewältigung der entsprechenden Risiken mündet, 738 was insoweit auch der besonderen Verortung innerhalb der Legaldefinition des Risikomanagements in Art. 3 Nr. 12 BasisVO und dem Wort Seite 111 laut, der auf die Konsultation zur Abwägung der strategischen Alternativen und der Wahl geeigneter Präventions- und Kontrollmöglichkeiten abstellt, entspricht.

720

720 Offen ist hierbei natürlich noch die Frage, ob und inwieweit auch die sog. anderen berücksichtigenswerten Faktoren zur Bestimmung der Akzeptabilität bzw. einer materiellen Eingriffsschwelle neben oder gar anstelle der Ergebnisse der Risikobewertung heranzuziehen sind, siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 3.A.IV.

721

721 Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht aus Sicht des Lebensmittelrechts, S. 76f.

722

722 Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst (ehem. Zipfel/Rathke), Art. 3 BasisVO, Rn. 80.

723

723 So Meisterernst, in: Streinz/Meisterernst, BasisVO/LFGB, Art. 3 BasisVO, Rn. 53, der bzgl. der Konsultation mit den Beteiligten beispielhaft auf die Legaldefinition der Risikokommunikation aus Art. 3 Nr. 13 BasisVO verweist; zu der umgekehrten Annahme, dass die Risikokommunikation eine besondere Maßnahme innerhalb des Risikomanagements darstelle, siehe sogleich.

724

724 Art. 3 Nr. 13 BasisVO im Wortlaut: „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck ’Risikokommunikation‘ im Rahmen der Risikoanalyse den interaktiven Austausch von Informationen und Meinungen über Gefahren und Risiken, risikobezogene Faktoren und Risikowahrnehmung zwischen Risikobewertern, Risikomanagern, Verbrauchern, Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen, Wissenschaftlern und anderen interessierten Kreisen einschließlich der Erläuterung von Ergebnissen der Risikobewertung und der Grundlage für Risikomanagemententscheidungen“.

725

725 Vgl. auch Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst (ehem. Zipfel/Rathke), Art. 3 BasisVO, Rn. 84; eine ähnliche diesbezügliche Stoßrichtung lässt sich insbesondere auch folgenden Publikationen entnehmen, wobei diese allerdings nicht ausdrücklich Bezug auf die Differenzierung zwischen der (allgemeinen) Risikokommunikation und der (besonderen) Konsultation der Beteiligten nehmen: Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht aus Sicht des Lebensmittelrechts, S. 76; Roth, Die allgemeine Lebensmittelüberwachung als Instrument des Verbraucherschutzes, S. 72; Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 272ff.; ähnlich Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, S. 83.

726

726 Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, S. 41.

727

727 Vertretbar erscheint durchaus, die Risikokommunikation als einen Unterfall des Risikomanagements anzusehen, nicht jedoch der eingangs aufgeworfene umgekehrte Ansatz, welcher die Konsultation mit den Beteiligten im Rahmen des Risikomanagements als einen Teil der Risikokommunikation betrachtet, da letztere schon nicht auf eine Konsultation der lediglich konkret Beteiligten abzielt, sondern vielmehr einen weiten, allgemeinen Kreis sämtlicher Interessierter einbezieht.

728

728 Vgl. zu diesem engen Zusammenhang Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 275; ähnlich Müller, Die Bewältigung von Lebensmittelrisiken durch Risikokommunikation, S. 36.

729

729 Vgl. Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 123f.; Müller, Die Bewältigung von Lebensmittelrisiken durch Risikokommunikation, S. 37.

730

730 Vgl. Roth, Die allgemeine Lebensmittelüberwachung als Instrument des Verbraucherschutzes, S. 72; siehe hierzu bereits die Ausführungen unter Teil 2.B.III.

731

731 Müller, Die Bewältigung von Lebensmittelrisiken durch Risikokommunikation, S. 35; dies entspricht insoweit auch Erwägungsgrund 9 BasisVO.

732

732 So der entsprechenden Passus aus der Legaldefinition des Risikomanagements in Art. 3 Nr. 12 BasisVO.

733

733 So der entsprechende Passus aus der Legaldefinition der Risikokommunikation in Art. 3 Nr. 13 BasisVO, die konkret von einem „interaktiven Austausch von Informationen und Meinungen über Gefahren und Risiken“ spricht.

734

734 Im bundesdeutschen Verwaltungsverfahrensgesetz findet sich die entsprechende Regelung zur Anhörung in § 28 VwVfG; vgl. im weiteren Sinne hierzu Burgi, DVBl. 2011, 1317, 1317ff., der dem Verwaltungsverfahren eine „dienende“ Funktion zuerkennt.

735

735 Siehe hierzu und zu der diesbezüglich abgestuften Meldeverpflichtung die nachfolgenden Ausführungen unter Teil 3.B.II.2.a.

736

736 Vgl. Meisterernst, Lebensmittelrecht, S. 39.

737

737 Vgl. zur kooperativen Aufgabenerledigung im Rahmen des Risikoverwaltungsrechts Möstl, Die staatliche Garantie für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 262; siehe hierzu auch bereits die Ausführungen unter Teil 1.C.III.

738

738 Zur (verpflichtenden) Zusammenarbeit zwischen Lebensmittelunternehmer und Behörden siehe die nachfolgenden Ausführungen unter Teil 3.B.II.1.b.

 
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