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Compliance, Moral und Politik

Was hat Compliance mit Moral und Politik zu tun?

Abbildung 1

Sind Sie dieser Tage auch etwas irritiert? Als Compliance-Beauftragter macht man sich Gedanken über den Rahmen zulässiger Essenseinladungen, Weihnachtsgeschenke, sonstige möglicherweise unzulässige Gefälligkeiten und Risiken kartellrechtswidrigen Verhaltens. Dann schlägt man die Zeitung oder News-App auf und liest ellenlange Erklärungen, aus welchem Grunde die Geschäftstätigkeit mit Despoten, mörderischen Regimen und kriegerischen Nationen voll in Ordnung ist. Gewiss sind Moral und Geschäftstätigkeit nicht immer deckungsgleich – das müssen sie auch nicht sein. Waffenproduktion verbieten, Geschäftstätigkeit nur mit (wirklich) lupenreinen Demokratien und das Ganze dann mit ausschließlich veganen, nachhaltigen umweltfreundlichen Produkten ist auch etwas naiv.

In den letzten Jahren konnte man eine sehr spürbare Entwicklung in Sachen Compliance und Nachhaltigkeit beobachten, bis hin zu Investmentfonds, die in ökologisch und ethisch einwandfreien Unternehmen investiert sind. In Großkonzernen werden komplexeste Freigabeprozesse für Essenseinladungen und die Annahme von Geschenken mit Werten über 30 EUR implementiert. Doch ein Vorstand eines solchen Unternehmens geriert sich als oberster politisch korrekter Demokrat, indem er Anhänger einer gewählten Partei ausgrenzen möchte. Dies mit dem Hinweis auf gesellschaftliche Verantwortung nicht nur in Sonntagsreden. Wenig später folgt die Rechtfertigung zur Geschäftstätigkeit mit mörderischen Regimen: Man könne sonst gleich zu Hause bleiben und aufhören, mit Ländern zu kommunizieren, in denen Menschen vermisst werden. Finde den Fehler.

Gehen wir etwas in den Norden finden wir ein Unternehmen das sich den gegenwärtig wohl umfangreichsten Strafzahlungen in den USA und Schadenersatzansprüchen wegen betrügerischer Software ausgesetzt sieht, Schuldbewusstsein ist dort indes nicht zu sehen. Dortiger Vorstand greift ein Unternehmen an, das auf die Durchsetzbarkeit von Rechtsakten vertraut und sich gegen die medienwirksame Blockade der Geschäftstätigkeit wehrt. Dazu meint der Vorstand sich diesen sog. Aktivisten verbunden zu fühlen und ebenfalls in Baumhäusern protestieren zu wollen. Also gemeinsam mit Personen, denen die Einhaltung einer Rechtsordnung eher egal ist, wenn diese nicht den eigenen Interessen dient und die laufend Straftaten gegen Eigentum begehen. Ist Kreuzberg auf der Vorstandsebene angekommen? Was denkt sich da wohl ein Arbeitnehmer, der eine Abmahnung oder Kündigung bekommen hat, weil er eine überhöhte Einladung angenommen oder ausgesprochen hat? Mit dieser Vorrede kommen wir zur entscheidenden Frage: (Was) hat Compliance mit Moral und Politik zu tun? Diese Frage wird in Compliance-Abteilungen durchaus gelegentlich gestellt, manchmal auch beantwortet. Häufig indes weder das eine, noch das andere. Da nun aber neben den Themen Ökologie und Nachhaltigkeit in der Gesellschaft Ethik und Moral höheren Stellenwert erlangen – insbesondere bei der jüngeren Generation – empfiehlt es sich, diese Themen auch in Unternehmen ernster zu nehmen. Dabei warten zahlreiche Fallstricke, siehe oben. Denn wie verhält es sich tatsächlich? Sind in Europa und im Ausland die selben rechtlichen und moralischen Maßstäbe anzusetzen? Ist es scheinheilig in Europa hohe Anforderungen an Compliance, Moral, Ökologie und Ethik zu stellen und dies an anderen Orten der Welt nicht so ernst zu nehmen? Oder ist es langfristig richtiger, auf langsamen aber stetigen Wandel zu setzen?

Das Spannungsfeld ist komplex: Der Manager ist dem Unternehmen und der Gewinnmaximierung verpflichtet, er ist Treuhänder der Eigentümer. Zugleich aber sind Unternehmen und Geschäftsleitung Teil der Gesellschaft. Je größer und bekannter umso mehr sind sie in der Gesellschaft besonders exponiert und haben die Chance (und das Risiko!) mit ihren gesellschaftspolitischen Äußerungen gehört zu werden. Es kann aus unternehmerischer Sicht gut sein, gesellschaftliche oder politische Anliegen zu vertreten und daraus auch wirtschaftlich Kapital zu schlagen. Ob dies zweckmäßig und erfolgreich ist, hängt freilich von der Produktpalette und den Kunden ab.

Mir scheint es durchaus richtig und wichtig, dass sich Unternehmen, Unternehmer und Vorstände nicht nur zu Wirtschaftspolitik und Steuern zu Wort melden, sondern auch zu gesellschaftlichen und zentralen politischen Themen. Allerdings ist zu beachten, dass nicht jeder, der ein Unternehmen erfolgreich führt, auch auf diesem Feld reüssieren wird. Daher sollten Manager bei ethischen, moralischen und gesellschaftspolitischen Äußerungen mit besonderer Sorgfalt agieren – ein neues Feld für die Compliance-Abteilungen?!

Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in der Kanzlei Passarge, Prudentino & Rhein PartGmbB – Studio Legale sowie Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM), Geschäftsführer von Pro Honore e. V. und Chefredakteur des Compliance-Beraters.

 
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