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DSB 2025, 297
Quiel 

Die ASEAN-Model-Clauses und unsere gemeinsamen Werte

Abbildung 1

Philipp Quiel Schriftleitung Datenschutz-Berater

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

beim Verfassen dieses Editorials befinde ich mich auf einer längeren Reise, die mich vor allem durch zwei zu den ASEAN-Staaten zugehörige Länder führt. Diese Länder haben ihre eigenen Datenschutzgesetze. Die ASEAN-Staaten haben auch gemeinschaftliche Standardvertragsklauseln, die für Drittlandsübermittlungen in andere Länder der Welt vorgesehen sind (ASEAN-Model-Clauses). Während in Deutschland die Tage aktuell häufig Grau sind und die vorweihnachtliche Wintersmilde offenkundig noch nicht eingesetzt hat, darf ich bei herrlichem Wetter viel Zeit unter Palmen und in pulsierenden Städten verbringen. Ich verbringe aber vor allem viel Zeit mit Menschen, in deren Gesellschaft gegenseitige Rücksichtnahme und alltägliche Höflichkeiten und Respekt – auch besonders gegenüber einander fremden Menschen – eine für jeden fremden Besucher indiskutable spürbar stärkere Rolle als in Deutschland spielen. Das führt zwangsläufig auch dazu, dass ich aus der Ferne äußerst befremdlich auf die Art und Weise blicke, wie in meinem Heimatland aktuell einige Themen diskutiert werden. Auf meiner Reise denke ich jedoch häufiger an schönere Themen, die manchmal natürlich auch etwas mit Datenschutzrecht zu tun haben.

Bedingt durch meine Reiseroute, habe ich mich noch einmal genauer mit den ASEAN-Model-Clauses beschäftigt. Zu den ASEAN-Model-Clauses und den Standardvertragsklauseln der Europäischen Union gibt es einen von den Mitgliedstaaten und den ASEAN-Staaten gemeinschaftlich erstellten Guide. So ein gemeinsamer Guide ist in mehrerlei Hinsicht eine wertvolle Besonderheit. Er ist einerseits für die Rechtsanwendung im globalen Konzern-Alltag hilfreich und andererseits ist dessen Existenz allein schon ein Ausdruck einer gemeinschaftlichen Verbindung zwischen den Mitgliedstaaten der Union und der ASEAN-Region. Man hat sich schließlich dafür entschieden, gemeinschaftlich eine Handreichung zu erstellen, und nicht – etwa wie bei Angemessenheitsbeschlüssen für die USA – für zwei unterschiedliche FAQ, die beide Seiten eigenständig erstellen. Im vom ehemaligen Justizkommissar Didier Reynders verfassten Vorwort zum Guide heißt es übersetzt ins Deutsche wie folgt: „Wie aus der anlässlich dieses Gipfels abgegebenen gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs eindeutig hervorgeht, verbindet uns eine starke Partnerschaft, die auf gemeinsamen Werten beruht, auch im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten.“

Mir ist diese Aussage im Kern ungemein sympathisch. Wenn der amtierende Bundeskanzler jedoch sagt, illegale Migration würde spürbar dem Stadtbild schaden (zur Erinnerung, das meint das Aussehen deutscher Städte unter Verweis auf Menschen aus anderen Ländern), und er auf eine spätere Rückfrage zu der Aussage scheinbar fast grinsend über die Nachfrage sagt, man müsse nur die eigenen Töchter fragen, dann möchte ich als vermeintlich „typisch Deutscher“ eigentlich gar nicht zurückkommen. Ich frage mich dann vor allem nachdenklich und etwas beschämt, wer wir in Deutschland als Gesellschaft eigentlich sind und für welche zwischenmenschlichen Werte wir (ein)stehen und wie das mit der Aussage zu gemeinsamen Werten aus dem Guide zusammenpassen soll. Ich frage mich auch, ob mit der unzweifelhaft keinesfalls staatsmännisch daherkommenden Aussage ernsthaft gemeint ist, man könne am Aussehen von Menschen (oder generell am Stadtbild) erkennen, wer einen und wer keinen Migrationshintergrund hat und wie der Verlauf bei der Einreise war.

Zwischen dem Migrationsrecht und dem Datenschutzrecht gibt es Gemeinsamkeiten. Beide Rechtsmaterien sind in erster Linie internationales und nicht nationales Recht. In beiden Bereichen kann Deutschland sowohl faktisch bedingt als auch aufgrund der geringen eigenständigen Rechtssetzungskompetenzen wenig nationale Akzente setzen. Das ist auch gut so. Eine rein nationalstaatliche Regulierung ist in beiden Rechtsbereichen gleichermaßen zum Scheitern verurteilt.

Wer der eigenen Bevölkerung unter Verweis auf das Stadtbild und den Aufenthaltsstatus von dort lebenden Menschen dringenden Handlungsbedarf in der nationalen Migrationspolitik suggeriert, der handelt ganz besonders unanständig und trifft zugleich eine juristisch betrachtet unsinnige Aussage. Schließlich kann Deutschland jeweils in den Bereichen Migrations- und Datenschutzrecht gleichermaßen kaum eigenständige Regelungen treffen. Fernab dessen ist der Versuch der Herstellung eines Zusammenhangs zwischen dem Stadtbild und dem Aufenthaltsstatus von dort lebenden Menschen das Gegenteil von einfühlsam. Unter buddhistischem ASEAN-Einfluss verweise ich abschließend auf die folgenden zwei Zitate: „Alle Menschen sind eins. Was sie unterscheidet, ist der Name, den man ihnen gibt.“ „Du wirst morgen sein, was du heute denkst.“ Mit Grüßen aus von Deutschland weit entfernten Ländern.

Ihr

Philipp Quiel

 
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