Ende eines Rohrkrepierers – Neuanfang für effiziente Verbraucherstreitbeilegung?
RA Thanos Rammos,
LL.M. (UCL)
RAin Kira Raguse
Die EU-Online-Streitbeilegungsplattform für Verbraucher ist Geschichte. Online-Händler müssen und sollten in ihren Online-Shops ab dem 20. 7. 2025 nicht mehr auf die OS-Plattform (englisch: Online Dispute Resolution bzw. ODR-Plattform) hinweisen. Denn Art. 14 der ODR-VO (EU) Nr. 524/2013 tritt außer Kraft – ebenso wie der Rest der Verordnung. Das bestimmt Art. 1 der Aufhebungs-VO (EU) 2024/3228.
In der Praxis wird sich nicht viel ändern. Schließlich hat sich gezeigt, dass Verbraucher die OS-Plattform ohnehin kaum genutzt haben. Wenn sie es taten, waren die Online-Händler im seltensten Fall zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung bereit. Hierbei bot die Plattform dann auch lediglich organisatorische Hilfe, etwa bei der Kommunikation in unterschiedlichen Sprachen und beim Finden einer geeigneten Streitbeilegungsstelle. Somit entfällt nun in erster Linie eine abmahnfähige Formalität für Online-Händler.
Verbraucher können schon seit dem 20. 3. 2025 keine neuen Beschwerden mehr einreichen. Die EU-Kommission hält Plattformnutzer dazu an, alle für ihre Streitigkeit noch relevanten Daten bis zum 19. 7. 2025 von der OS-Plattform zu exportieren. Dann löscht sie sukzessive alle Plattformdaten, spätestens ab dem Tag des Außerkrafttretens der ODR-Verordnung.
Es bleibt aber weiterhin erklärtes Ziel der EU, die grenzübergreifende Streitbeilegung innerhalb des Europäischen Binnenmarkts zu vereinfachen. Insbesondere sollen Verbraucher Vertrauen haben, Streitigkeiten auch mit im EU-Ausland ansässigen Händlern schnell und einfach rechtsverbindlich klären zu können.
Zum einen möchte die EU-Kommission die EU-Verbraucher umfassend über ihre Möglichkeiten einer alternativen Streitbeilegung informieren. Dabei soll den Europäischen Verbraucherzentren sowie „benutzerfreundlichen digitalen Tools“ eine gewisse Rolle zukommen. Wichtig ist, dass der Aufwand bei diesen Tools nicht außer Verhältnis zum Nutzen steht – wie es letztlich bei der OS-Plattform der Fall war.
Zum anderen plant die Kommission eine Reform der sog. ADR-Richtlinie über die alternative Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution, 2013/11/EU). Aufgrund der ADR-Richtlinie müssen die EU-Mitgliedsstaaten seit Sommer 2015 alternative Streitbeilegungsstellen bereithalten, vor denen EU-Unternehmer und -Verbraucher Streitigkeiten im Zusammenhang mit Dienstleistungs- und Kaufverträgen beilegen können. Verpflichtend ist die Teilnahme an solchen Verfahren aber in Deutschland nur für bestimmte Unternehmen in bestimmten Fällen, wie z. B. nach dem Energiewirtschaftsgesetz. Allerdings müssen alle Unternehmen, die Verträge mit Verbrauchern schließen, auf ihrer Website und in ihren AGB darüber informieren, ob sie verpflichtet oder freiwillig dazu bereit sind, an alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen und wenn ja, dort auch auf die zuständige Stelle hinweisen (Art. 13 ADR-Richtlinie, umgesetzt in § 36 VSBG).
Die EU-Gesetzgeber möchten die alternative Streitbeilegung effizienter, zugänglicher und transparenter machen. Einerseits möchten sie die Teilnahmeverpflichtung auf weitere Branchen ausweiten. Andererseits wird diskutiert, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu erweitern: Vor- und nichtvertragliche Ansprüche sowie digitale Produkte könnten in den sachlichen Anwendungsbereich aufgenommen werden, außerhalb der EU ansässige Online-Händler in den räumlichen.
Daneben betreffen die diskutierten Änderungen beispielsweise Antwortfristen für Unternehmer bei Ablehnung eines ADR-Verfahrens, Mindestqualifikationen für die Mitarbeiter von ADR-Stellen, die Möglichkeit zur Bündelung von Massenverfahren und das Recht der Verbraucher auf Überprüfung automatisierter Entscheidungen. Diese Änderungen könnten die Verfahren effizienter gestalten und die Rechte der Verbraucher stärken.
Im September 2025 beginnen die Trilogverhandlungen. Unberührt von der ADR-Reform bleiben höchstwahrscheinlich die in anderen Rechtsakten wie beispielsweise dem Digital Services Act vorgesehenen alternativen Streitbeilegungsverfahren. Ohnehin ginge noch viel Zeit ins Land, bis Änderungen der ADR-Richtlinie in Kraft treten, in nationales Recht umgesetzt und als Umsetzungsgesetz in Kraft treten würden. Dass diese Entwicklungen zu einer Erleichterung für Unternehmen führen werden, erscheint zweifelhaft. Es bleibt zu hoffen, dass die alternative Streitbeilegung jedenfalls effizienter wird.
* | Thanos Rammos ist Partner im TMT-Team von Taylor Wessing in Berlin und Co-Head der internationalen Praxisgruppe „Tech, Content, Data“. Er berät zu eCommerce-, Datenschutz- und Technologie-Themen. |
** | Kira Raguse ist Rechtsanwältin im TMT-Team von Taylor Wessing in Hamburg. Neben der Website-Compliance liegt ihr Beratungsschwerpunkt im Datenschutzrecht. |