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RIW 2021, I
Hördt 

Das Handelsabkommen zwischen der EU und Australien – eine Chance für die “rule of law”

Abbildung 1

“America First”, “Let's take back control” – diese nationalen Slogans hörte man seit 2016 in der westlichen Welt immer lauter. Freihandel und internationale Zusammenarbeit wichen nationalen Agenden und einer immer geringeren Achtung des internationalen Rechts. Der Rückzug der internationalen Zusammenarbeit und gemeinsamer Handelsabkommen zwischen den westlichen Staaten schien ab 2016 massiv voranzuschreiten, was sich bspw. im Widerstand gegen CETA zeigte. Gleichzeitig schwang sich China scheinbar zum Verfechter des Freihandels auf, u. a. mit dem viel beachteten RCEP-Abkommen. Dass dieses weit weniger ambitioniert ist als die Handelsabkommen der EU, die als sog. “WTO plus-Abkommen” bezeichnet werden, zeigte sich in der Berichterstattung jedoch nur am Rande. Im Gegensatz zu den Freihandelsabkommen der EU betrifft dieses Abkommen im Wesentlichen schwerpunktmäßig sog. tarifäre Fragen wie Zölle, aber auch Dienstleistungen, Investitionen, E-Kommerz, Telekommunikation und Urheberrechte. Abkommen der EU sind mittlerweile häufig ambitionierter. Sie enthalten neben tarifären Regelungen, auch Regelungen zum Abbau nicht-tarifärer Handelsbarrieren, Investitionen, Wettbewerbsfragen, speziellen Streitschlichtungsmechanismen und zukünftig wohl auch immer häufiger Umweltfragen. Dennoch war Mitte des vergangenen Jahrzehnts die Kritik am Freihandel in Europa groß. Scheinbar gegen den Trend der Jahre 2016–2020 und von der Öffentlichkeit vergleichsweise unbemerkt verhandeln die EU und Australien seit Mitte 2018 ein umfassendes Freihandelsabkommen.

Ein großes Ziel ist es die Zollbeschränkungen zwischen der EU und Australien abzubauen und vertieften Handel zu ermöglichen. Ein Punkt, der Im- und Exporte zwischen den beiden Staaten attraktiver machen soll. Gleiches gilt für den Abbau von Kapitalbeschränkungen. Die Regelungen sollen dabei deutlich über den WTO-Standard hinausgehen. Ein wichtiges Thema werden aber auch Umweltfragen darstellen, was vor wenigen Jahren für ein Freihandelsabkommen noch undenkbar war. In Australien mag dies ein empfindliches Thema darstellen. Australien ist für seinen massiven Rohstoffabbau in breiten Teilen der europäischen Öffentlichkeit in die Kritik geraten. Gerade am Stopp des Ratifizierungsprozesses des Freihandelsabkommens mit den MERCOSUR-Staaten aufgrund der Abholzung des brasilianischen Regenwaldes zeigt sich die Bedeutung von Umweltfragen im Verhandlungsprozess von Freihandelsabkommen für die EU. Dabei könnte man meinen, dass dieser Streitpunkt den chinesischen Interessen in die Hände spielt, da China in solchen Fragen sich komplett zurückhält. Entscheidender für die Entwicklung Australiens ist in diesem Zusammenhang aber, dass China seinen wirtschaftlichen Einfluss zunehmend politisch einsetzen will. So wurde Australien aufgrund unliebsamer Berichterstattung von China mit Strafzöllen überzogen. Die “rule of law”, die Herrschaft des Rechts, weicht bei China immer mehr einer Herrschaft des Stärkeren. Gerade aus diesem Grund bietet das Freihandelsabkommen Australien, aber auch der EU die Möglichkeit, dieser Politik etwas entgegenzusetzen und ein Freihandelsabkommen abzuschließen, welches auf gemeinsamen Werten und der Herrschaft des Rechts beruht. Eine Verankerung der EU im asiatisch-pazifischen Raum muss gerade auf diesen Werten und der Verlässlichkeit, die das Recht bietet, beruhen, um ein Gegengewicht zu China zu bilden bzw. China in einem weiteren Schritt so in einen mit klaren Regeln verbundenen Freihandel einzubinden, dass Konflikte rechtlich gelöst werden. Dies kann nur Erfolg haben, wenn sich die EU und Australien selbst einer solchen Politik und rechtlichen Gestaltung verpflichtet fühlen.

Während die EU mit Sicherheit als Ganzes von einem Freihandelsabkommen mit Australien profitieren würde, gibt es einige Länder, die weitergehende Vorteile haben können. Dazu gehört sicherlich auch Irland. Nach dem Brexit ist Irland das einzig verbliebene englischsprachige Land in der EU und damit attraktives Ziel für u. a. die Gründung einer Zweigniederlassung einer australischen Muttergesellschaft in der EU. Hinzu kommt die kulturelle Verbundenheit zwischen Irland und Australien. Die australische Botschaft in Dublin ging sogar von einer Anzahl von ca. 30 % der australischen Bevölkerung mit irischen Wurzeln aus. Auch ist Irland nach dem Austritt des UK aus der EU das letzte verbliebene “common law”-Land. Die Rechtssysteme beider Länder weisen somit eine deutliche Verbundenheit auf, welche es für australische Unternehmen leichter machen wird, in Irland zu investieren. Irland bietet große Chancen als Eintrittstor in den europäischen Markt.

Auch für die Bundesrepublik Deutschland ergeben sich vielfältige Möglichkeiten. Die Lage im Zentrum Europas und die wirtschaftliche Bedeutung machen es für australische Unternehmen attraktiv, in Deutschland tätig zu werden. Gerade im Zuge der Energiewende und der Transformation Australiens zu einer Energieversorgung durch erneuerbare Energien ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der Kooperation im Energie- und Umweltsektor. Wenig Hindernisse für Investitionen, klare Regeln und eine effektive Durchsetzung sichern gerade im internationalen Handel die Herrschaft des Rechts. Die EU und Australien haben die Möglichkeit ein Vorbild für weitere Freihandelsabkommen weltweit zu werden.

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/Adelaide), Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.

 
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