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WRP 2021, I
Rauer 

Detecting the influence – werde ich etwa gerade beeinflusst?

Abbildung 1

RA Dr. Nils Rauer, MJI

Ich möchte Sie in Ihrer Haltung zum Influencer Marketing nicht beeinflussen – oder vielleicht doch? Rein aus Vorsicht sei erwähnt, dass ich Anwalt bin und – wen wird es angesichts dieses Editorials verwundern – zum Werberecht berate. Muss ich noch mehr sagen? Wohl nicht, denn ich habe diesen Text ja nicht „getaggt“. Aber das Autorenhonorar, ändert das die Lage? Eine gute Frage.

„Influencing“ bedeutet beeinflussen. Wir alle lassen uns beeinflussen. Werbung zielt genau hierauf ab. Allein, wir würden gern wissen, wenn es jemand darauf anlegt, uns zu beeinflussen. Dies in angemessener Weise sicherzustellen, wird gerade im Bereich der Social Media immer wichtiger. Denn dort verschwimmen der soziale Austausch und die kommerziell getriebene Kommunikation zunehmend. Das sogenannte Influencer-Marketing gewinnt stetig an Bedeutung. Diese Entwicklung wird nicht allein von Seiten der Unternehmen befeuert, viele Internetnutzer:innen versuchen sich proaktiv am professionellen Influencing.

Es verwundert daher kaum, dass zunehmend auch die Gerichte mit dieser Form des Marketings befasst werden. Der BGH hatte respektive aktuell gleich sechs Verfahren zu diesem Thema auf dem richterlichen Tisch. In drei dieser Verfahren wurden am 09.09.2021 nun die Urteile gesprochen (u. a. BGH, 09.09.2021 – I ZR 90/20, WRP 2021, 1415, in diesem Heft – Influencer I; BGH, 09.09.2021 – I ZR 125/20, WRP 2021, 1429, in diesem Heft – Influencer II, vgl. hierzu auch Lettl, WRP 2021, 1384, in diesem Heft).

Die Komplexität der rechtlichen Bewertung ergibt sich dabei schon aus dem Umstand, dass gleich drei gesetzliche Kodifikationen zur Anwendung gelangen. Neben dem allgemeinen Wettbewerbsrecht (UWG) sind auch das Telemedienrecht (TMG) und der Medienstaatsvertrag (MStV) zu beachten. Dementsprechend hat der BGH in seinen aktuellen Entscheidungen auch größtes Augenmerk auf die Abgrenzung und das Rangverhältnis der einzelnen Normen untereinander gelegt. Dies völlig zu Recht, denn die „kommerzielle Kommunikation“ im Telemedienrecht ist nicht zwingend gleichzusetzen mit dem „kommerziellen Zweck“ einer geschäftlichen Handlung im lauterkeitsrechtlichen Sinne. Auch der Begriff der „Werbung“ findet im MStV seine eigene Definition. So kommt es, dass die spezielleren Normen – wie der BGH richtigerweise betont – das allgemeine Wettbewerbsrecht verdrängen können.

Bedeutung erlangt hier vor allem die Doppelnatur des Handelns von Influencern. Letztere betreiben im Regelfall mit ihren Posts sowohl Eigen- wie auch Fremdwerbung. Denn jeder Post, der „Likes“ generiert und die Zahl der Follower steigert, mehrt den eigenen Werbewert. Ein Mehr an Aufmerksamkeit und Resonanz dient mithin nicht allein dem Unternehmen, dessen Produkte ins rechte Licht gesetzt werden. Eine geschäftliche Handlung ist somit zumeist aus zweierlei Perspektive zu bejahen.

Hier gilt es gedanklich klar zu trennen, denn gerade das TMG und der MStV differenzieren danach, ob ein Entgelt oder eine vergleichbare Gegenleistung erbracht wird oder nicht. Wesensmerkmal der Eigenwerbung ist aber, dass sie losgelöst von Zuwendungen Dritter betrieben wird. Demensprechend müssen die einschlägigen Tatbestände dogmatisch wie systematisch getrennt durchdekliniert werden. Die jüngsten BGH-Urteile können hier als schulmäßige Beispiele dienen.

Unternehmen wie auch Influencer:innen stehen am Ende des Tages vor derselben Frage: Muss der Post als Werbung gekennzeichnet werden oder nicht? Ersteres ist nur dann der Fall, wenn sich der werbliche Charakter nicht aus den Umständen des Einzelfalls ergibt. Was in der Theorie so einfach und einleuchtend klingt, ist in der Praxis hingegen bisweilen schwer zu unterscheiden. In diesem Punkt macht es der Duktus des BGH auch nicht unbedingt leichter. Denn die Frage, ob überhaupt eine geschäftliche Handlung vorliegt, soll sich danach beantworten, ob der Post einen „werblichen Überschuss“ aufweist, dem Gesamteindruck nach also übertrieben werblich ist. Allein ein solcher Überschuss soll aber auf der nachfolgenden Prüfungsebene nicht dazu führen, dass automatisch auf eine Kennzeichnung des Posts als Werbung verzichtet werden kann. Es sei namentlich nicht widersprüchlich, dass „auch Instagram-Beiträge kennzeichnungsbedürftig sein können, deren werblicher Überschuss erst nach dem Studium des gesamten Beitrags erkennbar ist“ (BGH, 09.09.2021 – I ZR 125/20, WRP 2021, 1429, Rn. 36).

Die anzulegenden Maßstäbe sind mithin unterschiedlich. Die geschäftliche Handlung bewertet sich losgelöst vom Zeitstrahl der Betrachtung, der werbliche Charakter muss dagegen offenkundig werden, bevor es zu einer unlauteren Anlockwirkung kommt. Steht letzteres zu befürchten, bedarf es einer Kennzeichnung, die bereits bei erster Ansicht des Posts die Dinge für den Betrachter klarstellt. Maßstab ist dabei nicht, ob sich aus den Umständen überhaupt eine kommerzielle Zweckverfolgung ergibt. Vielmehr muss nach dem Willen des BGH jeder mit einem Kommunikationsakt verfolgte kommerzielle Zweck erkennbar sein (BGH, 09.09.2021 – I ZR 90/20, WRP 2021, 1415 Rn. 89). Die Latte hängt also durchaus hoch. Gleichwohl haben die Richter in zwei der drei Verfahren eine hinreichende Erkennbarkeit des werblichen Charakters bejaht.

Um zum Ausgangspunkt der Betrachtung zurückzukehren, darf ich hoffen, dass dieses Editorial ein wenig einflussreich für Sie ist und meine Zeilen Ihnen Lust machen auf die weitere Lektüre dieser Ausgabe der WRP.

RA Dr. Nils Rauer, MJI, Frankfurt a. M.

 
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