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ZVglRWiss 117 (2018), 413-414
Röhl 

Editorial

Die Dynamik der Vielfalt im Finanzmarkt – Eine Einführung –

“Die Dynamik der Vielfalt im Finanzmarkt” – unter dieser Überschrift stand das mittlerweile vierte Zusammentreffen von Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft und der Praxis, der Ökonomik und des Rechts im April 2018, dessen Erträge wir dankenswerterweise mit diesem Heft der Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft vorlegen können*. Das Thema “Dynamik der Vielfalt” liegt in Konstanz – unmittelbar an einer Außengrenze der Europäischen Union – nahe; der bevorstehende Austritt eines wichtigen Mitglieds der Europäischen Union gab den Anstoß für seine Bearbeitung: Während Globalisierung und Unitarisierung bislang Hand in Hand zu gehen schienen, wird nunmehr deutlich, dass der Umgang mit Vielfalt, Heterogenität, Partikularität und Fragmentierung eine dauernde Herausforderung darstellen wird. Vielfalt in diesem Sinne bedeutet eine Vielfalt an Strukturen der Banken (wie etwa in Deutschland das so genannte “Drei-Säulen-System”), eine Vielfalt an Regulierungssituationen (sowohl hinsichtlich der Regeln als auch hinsichtlich ihrer Durchsetzung), aber auch eine Vielfalt der rechtlichen, ökonomischen und tatsächlichen Umgebung (um nicht zu sagen: “Kultur”) der Bankenwirtschaft. Mit dieser Vielfalt konfrontiert lässt sich fragen, ob nicht hinter manchen ökonomischen und juristischen Überlegungen ein impliziter bias zugunsten einheitlicher Lösungen und Strukturen steht, eine implizite Erwartung, dass diverse Regulierungssituationen nur einen Übergang auf dem Weg zu einheitlichen Lösungen darstellen, zumal auch die Bankwirtschaft aus Effizienzerwägungen an möglichst einheitlichen Strukturen und Regulierungsszenarien interessiert sein dürfte.

In diesem Sinne spürte die Tagung der Entwicklung und den Ursachen für eine Vielfalt an Strukturen und Regulierungssituationen nach und fragte nach Mechanismen zu ihrer Bewältigung. In ihrem einleitenden Beitrag untersucht Ann-Kathrin Kaufhold die Entwicklung der Bankenregulierung in der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten unter dem Einfluss des Baseler Rahmenwerks. Reinhard Schmidt zeigt in seinem Referat auf, wie verschieden die Bank- und Finanzsysteme über die Ländergrenzen hinweg sind, bricht eine Lanze für den Erhalt der Diversität und gegen eine vorschnelle Bevorzugung einheitlicher Lösungen. Axel Kind unterstützt dieses Argument durchZVglRWiss 117 (2018) S. 413 (414) eine ökonomische Analyse der international und national unterschiedlichen Governance-Strukturen von Banken, während Günter Franke in den unterschiedlichen rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen Argumente für eine differenzierte Regulierung sieht.

Anschließend geht es um die Bewältigung dieser Vielfalt. Der Beitrag von Christoph Ohler zeigt, dass das internationale Recht keinen weitergehenden Zwang zur Vereinheitlichung enthält, vielmehr die unterschiedlichen Regulierungssituationen akzeptiert. In dieser Situation ist der Appell von Johannes-Jörg Riegler wichtig, der darauf drängt, trotz aller für notwendig empfundenen Regulierung die Profitabilität der Banken nicht aus dem Auge zu verlieren.

Doch was bedeutet Bewältigung der Vielfalt konkret? Dörte Poelzig zeigt am Beispiel des Kapitalmarktrechts, dass bereits rechtsintern die Abstimmung unterschiedlicher Durchsetzungsmechanismen alles andere als einfach ist. Joachim Hoeck und Hans Christian Röhl erläutern, wie trotz aller vordergründigen Vereinheitlichung umfangreiche Abstimmungsprozesse zwischen vertikalen Harmonisierungsvorhaben und horizontalen Abstimmungsmechanismen notwendig werden und welche Herausforderungen sie aufwerfen. Insbesondere die Behandlung von Drittstaatenbanken erweist sich als Problem. Letztlich ist es die international tätige Bank selber, die der Vielfalt an Strukturen, Regulierungssituationen sowie ökonomischen und juristischen Umgebungen ausgesetzt ist und die dem mit eigenen Strategien gerecht werden muss. Wie Mathias Otto in seinem Beitrag zeigt, ist sie dabei neben eigenen Strategien auf die richtige Abstimmung mit und ein sinnvolles Vorgehen der Regulierer angewiesen. Wie diese Prozesse in der bankinternen Compliance abgebildet werden können, dieser Frage widmet sich der abschließende Beitrag von Rüdiger Wilhelmi. Umgang mit und Bewältigung der notwendigen Vielfalt, so lässt sich das Fazit der Tagung zusammenfassen, werden in der kommenden Zeit Praxis und Wissenschaft, Ökonomik und Recht in besonderem Umfang in Anspruch nehmen.

Konstanz, im Oktober 2018 Hans Christian Röhl

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Verbunden mit einem Dank an unsere Förderer, die Universitätsgesellschaft, VEUK, den Alumni-Verein der Universität, die Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe sowie die Partnerschaft von Rechtsanwälten Hengeler Müller.

 
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