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BB 2025, I
Grewe 

Interimsmanagement: selbstständiges Unternehmertum oder abhängige Beschäftigung?

Abbildung 1

Rolle und Aufgaben des Interimsmanagers müssen bereits vertraglich eindeutig festgelegt und anschließend stringent umgesetzt werden.

In der aktuellen wirtschaftlichen Situation geraten Unternehmen zunehmend in Schieflage, und gemäß den aktuellen Marktzahlen des BDU ist die Insolvenzberatung mit einem Anstieg von 10,7 % im Jahr 2024 das zweitstärkste Wachstumsfeld gewesen (BDU, Facts & Figures zum Consultingmarkt 2025, S. 9). Dies macht deutlich, dass häufig externe Unterstützung hinzugezogen wird, um den Geschäftsbetrieb zu restrukturieren und zukunftsfähig aufzustellen. Dabei zeigt sich aktuell eine deutliche Zunahme bei der Beauftragung von Interimsmanagern, um Wissen und Erfahrung sowie Veränderungsimpulse in Unternehmen einzubringen und die Sanierung zu erleichtern.

Das Interimsmanagement wird als die vorübergehende Übernahme von Führungsaufgaben und Managementverantwortlichkeiten durch erfahrene Spezialisten als freiberufliches Einzelmandat oder von externen Beratungsfirmen im Rahmen eines Projektvorhabens verstanden. Sie werden oft beauftragt, um Krisensituationen zu bewältigen oder strategische Veränderungen zu erwirken. Hierbei handelt es sich stets um einen zeitlich begrenzten Auftrag.

In Zusammenhang mit einem solchen Engagement können allerdings Fallstricke lauern und unerwünschte rechtliche Konsequenzen auftreten. Es besteht die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit. Eine Scheinselbstständigkeit kann sowohl für den Beratenden als auch für das Unternehmen negative steuerrechtliche Folgen haben und Straf- und Bußgeldverfahren oder auch rückwirkende Versicherungspflichten nach sich ziehen.

Juristisch relevant ist beim Interimsmanagement die Frage, ob und wann es sich um eine sozialversicherungsrechtlich selbstständige Tätigkeit oder eine (abhängige) Beschäftigung beim auftraggebenden Unternehmen handelt. Die Gerichte haben sich damit bereits häufiger befasst: Es kann je nach Konstellation beides sein.

Selbst wenn ein festes Berufsbild definiert wäre, was bisher nicht der Fall ist, würde dieses nicht unbedingt bei der Einordnung helfen, da auch einer grundsätzlich selbstständigen Tätigkeit in Form einer abhängigen Beschäftigung nachgegangen werden kann. Gemäß Rechtsprechung handelt es sich beim Interimsmanagement keinesfalls um eine pauschal als abhängige Beschäftigung einzuordnende Tätigkeit (so z. B. SG Darmstadt, 12.12.2016 – S 8 R 404/15, juris, Rn. 208).

Eine “Beschäftigung” ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn die fragliche Person in den Betrieb eingegliedert ist und einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeit- bzw. Auftraggebers unterliegt.

Die Tätigkeit des Interimsmanagers muss sich daher wesentlich von der eines Angestellten unterscheiden. Die Unabhängigkeit und Freiheit in der Gestaltung der eigenen Tätigkeit und im Rahmen von Entscheidungsfindungen ist hier hervorzuheben, insbesondere im Verhältnis zu und im Austausch mit der Führungsebene, den Gesellschaftern sowie möglichen weiteren Anspruchsgruppen des auftraggebenden Unternehmens. Als “externer Spezialist” muss und darf ein Interimsmanager autonomer agieren als festangestellte Personen und wird daher auch anders behandelt.

Davon zu unterscheiden ist die Situation, in der ein Interimsmanager primär als Vakanzüberbrückung beauftragt wird, um wie ein leitender Angestellter oder eine Führungskraft überwiegend im Tagesgeschäft tätig zu werden. Wird der Interimsmanager in erheblichem Umfang operativ ausführend in vorher definierten Betriebsabläufen einschließlich entsprechender Weisungsrechte gegenüber Mitarbeitern tätig, spricht das eher für eine abhängige und somit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Wird der Interimsmanager bewusst beauftragt, um marktaktuelles Methodenwissen von außen einzubringen und um eine dritte, unabhängige Sicht auf Probleme, deren Herkunft und Lösung beizutragen, deutet dies eher auf eine selbstständige Tätigkeit hin. Der Interimsmanager agiert in einem solchen Fall unabhängig von den Strukturen, den betrieblichen Übungen oder Vergütungs- und Anreizsystemen des Auftraggebers. Durch die zeitliche Begrenzung des Mandats ist auch nicht von der unbewussten Annahme oder der Sozialisierung bezüglich der innerbetrieblichen Abläufe auszugehen.

Darüber hinaus sollten die typischen Merkmale des unabhängigen Unternehmertums vorhanden sein, um dem Sachverhalt der sog. Scheinselbstständigkeit entgegentreten zu können. Zu diesen Merkmalen zählen bspw. sowohl ein eigener Internetauftritt, die Nutzung eigener Hard- und Software, die Mitgliedschaft des eigenen Unternehmens in Verbänden sowie die eigene fachliche Fortbildung als auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie die Tätigkeit für verschiedene Auftraggeber. Ganz wichtig ist es auch zu sehen, dass Unternehmensberatung ein Dienst höherer Art i. S. v. § 627 BGB ist. Damit gilt, dass dem Auftraggeber ein sofortiges und nicht begründungspflichtiges Kündigungsrecht zusteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Rolle und Aufgaben des Interimsmanagers müssen bereits vertraglich sorgfältig vereinbart und beschrieben werden, und es ist unerlässlich, dies in der Praxis sodann stringent zu leben und umzusetzen.

Iris Grewe ist seit Januar 2025 Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen e. V (BDU). Hauptberuflich ist sie Partner bei BearingPoint, wo sie die die DACH-Region und den Asien-Pazifik-Raum verantwortet.

 
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