Die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist verabschiedet: Wird alles schneller, einfacher und effizienter?
Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zielt auf ein modernes und effizientes Besteuerungsverfahren ab. Aber profitieren hiervon auch die Steuerberater und ihre Mandanten oder nur die Finanzverwaltung?
Zukünftig soll die Veranlagung im Massenverfahren vollständig automationsgestützt bearbeitet werden. Die Bundessteuerberaterkammer hat sich aktiv und kritisch konstruktiv eingebracht und konnte eine Vielzahl ihrer Vorschläge erfolgreich durchsetzen.
Für den Kanzleialltag der Steuerberater ist insbesondere die Neuregelung der Fristen von Bedeutung. Die Abgabefrist für beratene Steuerpflichtige wurde auf den 28. 2. des Zweitfolgejahres verlängert. Damit ist eine wesentliche und seit Jahren von der Bundessteuerberaterkammer mit Nachdruck verfolgte Forderung endlich gesetzlich fixiert worden. Zur Sicherstellung eines kontinuierlichen Erklärungseingangs werden allerdings die Kriterien für Vorabanforderungen, die bislang im Fristenerlass geregelt waren, teilweise in das Gesetz übernommen. Darüber hinaus können nach der Neuregelung Erklärungen nach dem Ergebnis einer automationsgestützten Zufallsauswahl vorab angefordert werden. Diese sind binnen einer Frist von vier Monaten abzugeben. Im Gesetzgebungsverfahren konnte hier noch eine Verlängerung erreicht werden. Die Anforderung nach Zufallsauswahl soll nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Anforderungsgründe nicht ausreichen, einen kontinuierlichen Erklärungseingang zu erreichen, so jedenfalls die Gesetzesbegründung. Die Praxis wird zeigen, wie die Finanzverwaltung damit umgeht.
In diesem Zusammenhang wird auch der Verspätungszuschlag neu geregelt. Dieser ist festzusetzen, wenn die Erklärung nach dem 28. 2. des Zweitfolgejahres oder nach der in der Anordnung gesetzten Frist abgegeben wird. Hier konnte durchgesetzt werden, dass Verspätungszuschläge nicht mehr automatisch erhoben werden, wenn die Steuer auf 0 Euro oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird. Darüber hinaus wurde die zunächst geplante Mindesthöhe des Verspätungszuschlags von 50,00 Euro auf 25,00 Euro pro Monat herabgesetzt. Weiterhin ist eine Erleichterung für Steuerpflichtige vorgesehen, die von der Finanzbehörde erstmals nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zur Abgabe einer Steuererklärung innerhalb einer dort bezeichneten Frist aufgefordert wurden und bis zum Zugang dieser Aufforderung davon ausgehen konnten, keine Steuererklärung abgeben zu müssen (typische “Rentnerfälle”). Der Verspätungszuschlag ist in diesen Fällen nur für die Monate zu berechnen, die nach dem Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist begonnen haben.
Gesetzlich geregelt wird auch die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzverwaltung. Dies betrifft das von den Steuerberaterkammern initiierte Projekt der Vollmachtsdatenbank. Hierfür ist die Vollmachtsvermutung jetzt ins Gesetz aufgenommen worden.
Ursprünglich war eine Haftungsverschärfung für Steuerberater bei der Übermittlung der elektronischen Steuererklärung vorgesehen. Konkret hätte dies bedeutet, dass Steuerberater für etwaige Steuerausfälle haften, wenn sie darauf verzichten, ihren Mandanten die an das Finanzamt übermittelten Daten nochmals zur Prüfung vorzulegen. Nach intensiven Diskussionen konnte die Bundessteuerberaterkammer dies verhindern. In diesem Zusammenhang konnte darüber hinaus ein erheblicher Bürokratieabbau erreicht werden. Nach der bisherigen Rechtslage, die aus der Steuerdatenübermittlungsverordnung in die Abgabenordung übernommen werden sollte, war es faktisch so, dass es bei der elektronischen Übermittlung der Steuererklärung notwendig war, die Erklärung vor und nach der Übermittlung durch den Mandanten freizeichnen zu lassen. Das konnte verhindert werden. Künftig hat der Datenübermittler dem Auftraggeber die Daten in leicht überprüfbarer Form zur Zustimmung zur Verfügung zu stellen. Hierbei ist der Begriff der Zustimmung derart zu verstehen, dass die Zustimmung vor oder nach der Übermittlung erfolgen kann.
Das Gesetz schafft zudem die rechtliche Grundlage für einen vollständig automationsgestützten Erlass von Steuerbescheiden. Auch bei dieser Regelung wurde eine Forderung der Bundessteuerberaterkammer aufgegriffen, dass der Steuerpflichtige die Möglichkeit haben muss, eine manuelle Veranlagung seiner Steuererklärung zu veranlassen. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass durch die automatisierte Veranlagung mittels Risikomanagementsystemen dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht genüge getan wird. Das Gesetz sieht nun vor, dass Eintragungen in sog. Freitextfelder zum Aussteuern aus der automatisierten Veranlagung führen.
Bei allen Erfolgen besteht noch Verbesserungsbedarf. Bisher führen die vorgesehenen Regelungen dazu, dass die Finanzverwaltung Synergieeffekte erzielt, indem sie erhebliche Arbeitsbelastungen auf den Steuerpflichtigen und seinen Berater überträgt. Um die Akzeptanz dieser Reformüberlegungen zu verbessern, müssen aber auch die Steuerpflichtigen und ihre Berater von der Digitalisierung profitieren.
Ebenso wichtig wäre eine ausreichende Transparenz bei den Risikomanagementsystemen. Besonders bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass die Parameter der Risikomanagementsysteme nicht offengelegt werden dürfen und nur sehr eingeschränkt gerichtlich überprüft werden können. Die Finanzverwaltung muss jetzt insbesondere dafür sorgen, dass die Steuerpflichtigen und ihre Berater Rechtssicherheit bei der Umsetzung ihrer steuerlichen Verpflichtungen erhalten. Hierfür wäre beispielsweise ein konsequenter Ausbau der verbindlichen Auskunft oder die Möglichkeit, die Anrufungsauskunft für verwirklichte Sachverhalte auszubauen, ein möglicher Lösungsansatz.
Der Gesetzgeber hat das Besteuerungsverfahren der Zukunft auf den Weg gebracht. Damit alle Beteiligten davon profitieren, muss die Modernisierung bei den untergesetzlichen Umsetzungsmaßnahmen konsequent weiterverfolgt werden. Der Berufsstand der Steuerberater wird auch diesen Prozess aktiv begleiten und steht bereit, die Finanzverwaltung mit Sachverstand zu unterstützen.
Dipl.-Kfm. Boris Kurczinski, StB, ist BStBK-Präsidialmitglied, Präsident der Steuerberaterkammer Schleswig-Holstein und sitzt im DATEV-Beirat für Schleswig-Holstein